Prof. Dr. A. Rainer Jordan, Wissenschaftlicher Direktor des IDZ, stellte die Ergebnisse der DMS 6 bei einer Pressekonferenz in Berlin vor.
Foto: KZBV/Nürnberger

Zahnärztliche Prävention wirkt

IDZ, BZÄK und KZBV stellen die Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie vor

Wie steht es um die Mundgesundheit in Deutschland? Wie entwickeln sich Karies und Parodontalerkrankungen? Zeigen sich Erfolge bisheriger Therapiekonzepte? Seit 1989 erforscht das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) die Mundgesundheit der Bevölkerung. Mitte März stellte das IDZ gemeinsam mit der Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung die Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS 6) vor.

Die Ergebnisse belegen vor allem den Erfolg der präventionsorientierten Zahnmedizin. So zeigt sich, dass Deutschland bei der Bekämpfung von Karies hervorragend aufgestellt ist: In der Gruppe der Zwölfjährigen sind 78 Prozent der Untersuchten kariesfrei. Bei den jüngeren Erwachsenen (35- bis 44-Jährige) hat sich die Karieserfahrung seit 1989 halbiert. Gleichzeitig ist die Anzahl fehlender Zähne signifikant zurückgegangen. Bis zur Mitte ihres Lebens sind die Menschen in Deutschland heute praktisch noch voll bezahnt. Dieses erfreuliche Ergebnis ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die breite Bevölkerung das Angebot frühzeitiger und umfangreicher Präventionsleistungen in Anspruch nimmt. Hierzu zählen sowohl die Früherkennungsuntersuchungen für Kleinkinder als auch die Individualprophylaxe und regelmäßige Kontrolltermine. Dies führt nicht nur zu einer verbesserten Mundgesundheit, sondern auch zu einer spürbaren Senkung der Krankheitskosten insbesondere für Kariesbehandlungen und beim Zahnersatz, was dem gesamten Gesundheitssystem zugutekommt.

Auch in der Gruppe der jüngeren Seniorinnen und Senioren (65- bis 74-Jährige) zeigt sich, dass immer weniger Menschen vollständig zahnlos sind und im Durchschnitt mehr Zähne erhalten bleiben. Der Anstieg der Anzahl funktionstüchtiger Zähne unterstreicht zudem die Wirksamkeit des Paradigmenwechsels hin zu einer zahnerhaltenden Therapie. Auch wenn die Primärprävention (Vermeidung von Karies) in dieser Altersgruppe noch nicht vollständig greifen konnte, zeigt sich eine bemerkenswerte Stärke in der Sekundärprävention, dem Zahnerhalt.

Zusammenhang mit Allgemeinerkrankungen belegt

Eine erhebliche Krankheitslast ist weiterhin bei Parodontalerkrankungen mit den Studiendaten belegt: Demnach haben rund 14 Millionen Menschen in Deutschland eine schwere Parodontalerkankung. Dies ist umso verheerender, weil bisherige wissenschaftliche Hinweise, dass eine Parodontitis auch Einfluss auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen nimmt und eine unbehandelte oder nicht frühzeitig behandelte Parodontitis zu einer Gefährdung der Mund- und Allgemeingesundheit führt, durch die Ergebnisse der DMS 6 bestätigt werden. Die Studie liefert zudem neue Erkenntnisse über den Zusammenhang von Mundgesundheit und Allgemeinerkrankungen. Demnach sind Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufiger zahnlos und haben durchschnittlich etwa zwei Zähne weniger als gesunde Menschen. Dies veranschaulicht die große Wichtigkeit sektorenübergreifender Versorgungsmodelle.

Des Weiteren belegen die Ergebnisse der DMS 6 eine hohe Prävalenz von Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), sogenannter Kreidezähne. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, die nicht durch individuelles Zahnputz- oder Mundhygieneverhalten beeinflusst werden kann, sondern eine entwicklungsbedingte Störung ist, die bereits vor der Geburt bis zum ersten halben Lebensjahr entsteht. Da die Ursachen für die Entstehung bisher nicht abschließend geklärt sind, ist eine frühzeitige Diagnostik des Krankheitsbildes umso wichtiger. Dies unterstreicht einmal mehr die Bedeutung von Früherkennungsuntersuchungen, um die Eltern aufklären und für das Kind entsprechende Therapiemaßnahmen ergreifen zu können.

Paradigmenwechsel wirkt sich aus

Prof. Dr. A. Rainer Jordan, Wissenschaftlicher Direktor des IDZ, erläuterte bei der Vorstellung der Ergebnisse: „Seit 35 Jahren untersuchen wir am Institut der Deutschen Zahnärzte regelmäßig die Zahngesundheit der Bevölkerung in Deutschland. Die jetzt vorliegende Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie ist sowohl methodisch als auch in den Ergebnissen besonders: Seit der Einführung der Gruppen- und Individualprophylaxe Ende der 1990er-Jahre konnten wir die Karieslast bei Kindern um 90 Prozent senken – ein fast einmaliger Erfolg in der primären Prävention chronischer Erkrankungen. Jetzt können wir sicher sagen, dass der eingeschlagene Paradigmenwechsel von einer kurativen Krankenversorgung hin zu einer präventionsorientierten Gesundheitsversorgung nachhaltig greift. Zahnverluste kommen bis ins Erwachsenenalter praktisch nicht mehr vor und der Anteil zahnloser jüngerer Seniorinnen und Senioren ist um 80 Prozent zurückgegangen. Heute sind nur noch fünf Prozent der 65- bis 74-Jährigen zahnlos: Prävention wirkt!“

Martin Hendges (links), Vorsitzender des Vorstands der KZBV, und Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der BZÄK, führten die positiven Studienergebnisse auf die verstärkten Präventionsbemühungen der Zahnärzteschaft zurück. © KZBV/Nürnberger
© KZBV/Nürnberger

Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer, ergänzte in seiner Stellungnahme: „Die großartigen Ergebnisse der DMS 6 sind ein Grund zur Freude für Patientinnen, Patienten und die Zahnärzteschaft. Sie zeigen, wie nachhaltig die Kombination aus Gruppen- und Individualprophylaxe für eine gute Mundgesundheit sorgt. In allen Altersgruppen konnten die guten Daten gehalten oder sogar verbessert werden. Gerade bei Seniorinnen und Senioren bedeuten weniger fehlende beziehungsweise mehr funktionstüchtige Zähne eine gesteigerte Lebensqualität. Die Studie zeigt zudem erstmals, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht nur mit Parodontitis, sondern auch mit Zahnlosigkeit zusammenhängen – ein Auftrag für weitere interdisziplinäre Forschung in diesem Feld. Die DMS zeigt allerdings auch, dass von der zahnmedizinischen Prävention noch nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen profitieren – Menschen in sozial schwierigen Lebenslagen werden von den Maßnahmen weniger gut erreicht. Dies stellt eine Aufgabe für die Zahnärzteschaft dar, diese Gruppe noch mehr in den Fokus zu nehmen.“

Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstands der KZBV, betonte bei der Pressekonferenz: „Die Ergebnisse der DMS 6 zeigen, dass unsere konsequent auf Prävention ausgerichteten Versorgungskonzepte, die aus dem eigenen Berufsstand heraus entwickelt worden sind, wirken. Dies führt nicht nur zu einer verbesserten Mundgesundheit von Millionen von Menschen in Deutschland, sondern hat auch den Anteil an den Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für vertragszahnärztliche Leistungen in den letzten Jahren um mehr als 30 Prozent gesenkt. Die Ergebnisse belegen aber auch, dass Parodontitis immer noch eine Volkskrankheit und ein wesentlicher Einflussfaktor bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. 2021 hat die KZBV mit der präventionsorientierten Parodontitis-Behandlungsstrecke eine Therapie in die Versorgung gebracht, die auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert und von allen Seiten als Meilenstein begrüßt wurde. Dieser wichtige Ansatz wurde durch politische Entscheidungen in Form des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes mit seiner strikten Budgetierung schwer beschädigt. Dem Kampf gegen Parodontitis wurde so ein herber Rückschlag versetzt, der eine nachhaltige Behandlung nun deutlich erschwert. Die neue Bundesregierung ist daher gefordert, die Leistungen für die präventionsorientierte Parodontitistherapie endlich als gesetzliche Früherkennungs- und Vorsorgeleistungen zu verankern und für die Versorgung die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Um die bislang erreichten Erfolge im Hinblick auf die Mundgesundheit zu erhalten und weiter auszubauen, benötigen die Praxen endlich wieder angemessene Rahmenbedingungen für ihre Arbeit.“

APPELL VON DR. DR. FRANK WOHL: „PROPHYLAXE NICHT ABWÜRGEN“

Zu den Ergebnissen der Sechsten Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS 6) nahm auch der Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer, Dr. Dr. Frank Wohl, in einer Presseinformation Stellung: „Prävention wirkt. Prävention erhöht die Lebensqualität und entlastet das Solidarsystem. Doch die Politik muss aufhören, Prophylaxe abzuwürgen. Jüngstes Beispiel: Die strikte Budgetierung von Parodontalbehandlungen durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Sie hat bewirkt, dass die Parodontalbehandlungen von 2022 bis 2024 um 36 Prozent zurückgegangen sind. Hier wurde erfolgreiche Prävention durch einen unbedachten politischen Eingriff ruiniert – ungeachtet der Tatsache, dass Parodontitistherapie hilft, teuren Zahnersatz zu vermeiden. Zudem sind zahlreiche Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachgewiesen.“

Redaktion