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Wohnortnahe Versorgung erhalten

Was Bayern in der Gesundheitspolitik tun kann

Gesundheitspolitik ist Bundespolitik. Doch die Entscheidungen, die in Berlin getroffen werden, wirken sich unmittelbar auf Bayern aus. Wie kann die wohnortnahe Versorgung trotz der Budgetierung aufrechterhalten werden? Wie kann man den Vormarsch internationaler Investoren stoppen? Wie soll eine vernünftige Digitalisierung aussehen? Und wie kann Bayern überhaupt Einfluss auf gesundheitspolitische Entscheidungen nehmen? Im Vorfeld der Landtagswahl am 8. Oktober baten wir die Gesundheitspolitischen Sprecher der im Bayerischen Landtag vertretenen Fraktionen (außer AfD) um Antworten auf diese und andere Fragen. Nach SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Maiausgabe des BZB kommen nun CSU, Freie Wähler und FDP zu Wort.

BZB: Selbstverwaltung, Freiberuflichkeit und Therapiefreiheit – welchen Stellenwert haben diese für die Zahnärzteschaft elementaren Begriffe für Sie und Ihre Partei?

Bernhard Seidenath, MdL, Gesundheitspolitischer Sprecher der CSU-Fraktion © Video Sessner GmbH/Andreas Köhler

Seidenath: Diese drei Begriffe haben für mich und die CSU einen sehr hohen Stellenwert. So garantiert die Selbstverwaltung, dass berufliche Belange durch die Stellen wahrgenommen werden, die die größte Sachnähe und Fachkompetenz besitzen. Freiberuflichkeit und Therapiefreiheit der Zahnärztinnen und Zahnärzte gewährleisten die bestmögliche Patientenbehandlung und Gesundheitsversorgung, auch unter sich stetig ändernden Rahmenbedingungen. Das neue Grundsatzprogramm der CSU, das am 6. Mai 2023 beschlossen wurde, enthält hier klare Bekenntnisse, ich darf zitieren: „Der Kern unseres solidarischen Gesundheitssystems sind die freie Arzt- und Krankenhauswahl sowie die Therapiefreiheit. Die Freiberuflichkeit der Ärzte ist und bleibt das Leitbild.“

BZB: Während die Praxiskosten von Jahr zu Jahr steigen, stagniert der in der GOZ festgelegte Punktwert bereits seit 1988. Wie stehen Sie zum angestrebten Inflationsausgleich, der inzwischen von allen Zahnärzten gefordert wird?

Seidenath: Die CSU und ich unterstützen die Einführung von Ausgleichsmechanismen in den Vergütungssystemen, um außergewöhnlich dynamische Kostenentwicklungen – wie eine Inflation – zeitnah abbilden zu können: Dies betrifft sowohl das Verfahren zur Festlegung des bundeseinheitlichen Orientierungswertes als auch die GOZ.

BZB: Seit dem 1. Januar 2023 sind zahnärztliche Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung erneut budgetiert. Wie wollen Sie junge Zahnärzte dennoch für die Niederlassung begeistern?

Seidenath: Eine Niederlassung scheitert nicht nur an der Budgetierung. Eine mindestens ebenso große Rolle spielen hier auch die zunehmenden bürokratischen Anforderungen sowie geänderte Berufsvorstellungen in der jüngeren Generation, die einen höheren Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance legt und daher oftmals eine Anstellung einer Niederlassung vorzieht. Der steigende Anteil von Zahnärztinnen und auch Zahnärzten, welche oftmals familienbedingt in Teilzeit arbeiten wollen bzw. müssen, verstärkt diesen Trend noch. Insgesamt muss die zahnärztliche Niederlassung deshalb wieder attraktiver werden. Ansatzpunkte sehe ich etwa in einer Reduzierung bürokratischer Anforderungen, die eine Herkulesaufgabe ist.

BZB: Internationale Investoren sehen den Medizinbereich als lukratives Investment. Brauchen wir strengere Regeln für Gründung und Betrieb Medizinischer Versorgungszentren (MVZ)?

Seidenath: Die Medizinischen Versorgungszentren sind inzwischen ein wichtiger Baustein, um den Anforderungen an unser Gesundheitssystem gerecht zu werden. Trotz des weiter bestehenden Leitbildes der Freiberuflichkeit ziehen – gerade in Zeiten einer veränderten Work-Life-Balance – auch Zahnärzte nicht selten eine Anstellung einer Niederlassung vor. Im Bereich der zahnärztlichen Versorgung gibt es auf Bundesebene glücklicherweise bereits Regelungen, die den Einsatz nicht zahnärztlicher Investoren, insbesondere von Private Equity, einschränken. Da macht mir die Situation bei den Augenärzten und anderen Facharztgruppen aktuell größere Sorgen. Entscheidend ist die Versorgung der Patientinnen und Patienten – in allen Teilen Bayerns, egal, ob in der Stadt oder auf dem Land. Maßstab muss immer die medizinische Dringlichkeit und darf nie der maximale Profit sein. Deshalb brauchen wir einen Ethik- und Wertekodex für MVZ, unabhängig von der Struktur deren Träger, den der von mir geführte Gesundheits- und Pflegepolitische Arbeitskreis der CSU (GPA) gerade erarbeitet. Grundlegend ist dabei, dass in einem MVZ nicht die Kaufleute das Sagen haben, sondern die Ärzte; dass der Versorgung deutlich der Vorrang gegeben wird vor einer gewinnmaximierenden Rosinenpickerei oder dass Filialen auch dort eröffnet werden, wo sich niedergelassene Freiberufler nicht mehr finden. Investoren und Kapitalgeber können im Gesundheitswesen grundsätzlich auch ihre Berechtigung und sogar entlastende Vorteile haben. Schwierig wird es nur dann und dort, wenn andere Aspekte als die Gesundheit der Patienten im Mittelpunkt stehen.

BZB: Bei der Telematik-Infrastruktur kommt es immer wieder zu Ausfällen. Auch der Schutz der Patientendaten ist nicht garantiert. Brauchen wir einen Reset bei der Digitalisierung unseres Gesundheitswesens?

Seidenath: Der Schutz von Patientendaten ist essenziell und muss jederzeit sichergestellt sein. Trotzdem sollten wir aufpassen, dass wir gerade im Gesundheitsbereich keine unnötigen bürokratischen Schranken aufbauen. Gerade in den skandinavischen Ländern wird in beispielhafter Geschwindigkeit ohne große rechtliche Einschränkungen digitalisiert, während wir in Deutschland eine Hürde nach der anderen nehmen müssen. Die Digitalisierung und die damit einhergehende Konnektivität ist ein Zukunftstrend, den wir gestalten müssen und dem wir Priorität einräumen sollten. Sie bietet uns die Chance, sowohl Ressourcen einzusparen und an anderer Stelle zu verwenden als auch die Effizienz der Behandlungen zu verbessern. Gesundheitsdatennutzung macht den größten innovativen Schub im Gesundheitsbereich aus. Wir sind ethisch verpflichtet, die sich durch Digitalisierung eröffnenden Möglichkeiten den Patientinnen und Patienten zuteilwerden zu lassen.

BZB: Trotz steigender Ausbildungszahlen in Bayern suchen viele Zahnarztpraxen vergeblich nach Fachkräften. Welche Strategie verfolgt Ihre Partei, um das Fachkräfteproblem zu lösen?

Seidenath: Bereits zweimal – im Herbst 2022 und im April 2023 – hat der von mir geleitete Arbeitskreis Gesundheit und Pflege der CSU-Landtagsfraktion zu einem Werkstattgespräch zur Personalsituation bei (Zahn-)Medizinischen Fachangestellten in den bayerischen Landtag eingeladen. Der Zahnärzteschaft bin ich überaus dankbar, dass sie sich so intensiv an diesen Gesprächen beteiligt hat und weiter beteiligt. Deutlich geworden ist, dass der Schlüssel in einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen liegt, die Zahl der Auszubildenden in diesem Bereich weiter erhöht und der Prozentsatz der Ausbildungsabbrecher reduziert werden muss. Ebenfalls müssen Wiedereinstiegsprogramme für ZFA/MFA nach einer Familienpause konzipiert und umgesetzt werden. Zudem brauchen wir eine Imagekampagne, die das Ziel hat, die Wertschätzung für das Berufsbild der ZFA/MFA zu steigern.

BZB: Inhaber von Zahnarztpraxen sehen sich noch immer mit einer Fülle von bürokratischen Vorschriften – auch auf Landesebene – konfrontiert. Wo gibt es nach Ihrer Meinung Potenzial für den Bürokratieabbau?

Seidenath: Neben dem Fachkräftemangel ist die zunehmende Bürokratie DIE zentrale Herausforderung für unsere Leistungserbringer. Es gilt, kurzfristige und langfristige Faktoren in der Bürokratie abzubauen und somit auch dem Fachkräftemangel durch freiwerdende Ressourcen entgegenzutreten. Jede Hand für eine Patientin und einen Patienten ist besser als eine Hand am Schreibtisch. Es geht etwa um die Entlastung bei Prüf- und Abrechnungsvorgaben. Auch in der Digitalisierung liegt dabei enormes Potenzial. Dokumentationspflichten müssen in der Praxis künftig so ressourcenschonend wie irgend möglich handhabbar sein. Letztlich ist der Abbau von Bürokratie eine Gemeinschaftsaufgabe für alle Ebenen: für Bund, Land und auch für die Selbstverwaltung. Um das Seine für den Abbau von Bürokratie zu tun und zu zeigen, wie ernst er dieses drängende Anliegen nimmt, hat der Freistaat Bayern kürzlich einen Normenkontrollrat geschaffen.

BZB: Dual oder einheitlich – wie sieht für Sie und Ihre Partei das Krankenversicherungssystem der Zukunft aus?

Seidenath: Ganz klar und ohne Wenn und Aber: dual. Wir halten an gesetzlicher UND privater Krankenversicherung fest und lehnen eine Einheitsversicherung ab. Die Gründe hierfür sind vielfältig: der Wettbewerb zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung trägt dazu bei, dass sich der Gesundheitssektor durch Innovationen permanent weiterentwickelt. Zudem werden einseitig vorgenommene Absenkungen des Gesundheitsniveaus, wie sie in anderen Ländern mit einem einheitlichen System ohne Weiteres vorgenommen werden können, vermieden. Darunter würde das Niveau der Gesundheitsversorgung auch und gerade für Bevölkerungsschichten mit geringerem Einkommen leiden. Schließlich profitieren insbesondere Arztgruppen mit aufwendigem Equipment vom dualen System, da oftmals nur durch die Mitbehandlung von privat versicherten Personen der Kauf und Betrieb medizinisch notwendiger technischer Geräte finanziert werden kann. Von dieser Quersubventionierung durch die private Krankenversicherung profitiert folglich auch die Behandlung gesetzlich versicherter Patientinnen und Patienten.


BZB: Selbstverwaltung, Freiberuflichkeit und Therapiefreiheit – welchen Stellenwert haben diese für die Zahnärzteschaft elementaren Begriffe für Sie und Ihre Partei?

Susann Enders, MdL, Gesundheitspolitische Sprecherin der FREIEN WÄHLER © Dilger

Enders: Die Freien Berufe sind eine wichtige und bewährte Stütze unserer Gesellschaft und sichern nicht zuletzt die freie und unabhängige ärztliche und zahnärztliche Entscheidung. Insofern wird sich die FREIE WÄHLER Fraktion auch in der kommenden Legislaturperiode für ihre Stärkung einsetzen. Im Gesundheitsbereich müssen in Anbetracht der hohen Anzahl von Medizinstudentinnen gerade für die ärztliche Niederlassung moderne Modelle entwickelt werden, die Vereinbarkeit einer eigenen Praxis mit einer Familiengründung ermöglichen. Auf diese Weise werden Anreize für den Schritt in die Selbstständigkeit gesetzt.

BZB: Während die Praxiskosten von Jahr zu Jahr steigen, stagniert der in der GOZ festgelegte Punktwert bereits seit 1988. Wie stehen Sie zum angestrebten Inflationsausgleich, der inzwischen von allen Zahnärzten gefordert wird?

Enders: Als FREIE WÄHLER unterstützen wir die längst überfällige Anhebung des Punktwertes der GOZ. Eine qualitativ hochwertige zahnmedizinische Versorgung muss auch entsprechend honoriert werden. Medizinischer Fortschritt und auch eine gestiegene Erwartungshaltung der Patienten müssen sich in der Finanzierung widerspiegeln.

BZB: Seit dem 1. Januar 2023 sind zahnärztliche Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung erneut budgetiert. Wie wollen Sie junge Zahnärzte dennoch für die Niederlassung begeistern?

Enders: Budgetierungen sind ein Hemmnis sowohl für die Therapiefreiheit als auch für die Niederlassung und sind geeignet, gerade junge Zahnmediziner abzuschrecken. Um junge Mediziner für eine Niederlassung zu begeistern, braucht es verlässliche Rahmenbedingungen, um den wagemutigen Schritt in die Selbstständigkeit zu ermöglichen. Aus diesem Grund halten wir die Niederlassungsförderung sowohl finanziell als auch durch intensive Beratung für unerlässlich.

BZB: Internationale Investoren sehen den Medizinbereich als lukratives Investment. Brauchen wir strengere Regeln für Gründung und Betrieb Medizinischer Versorgungszentren (MVZ)?

Enders: Um die Integrität und Qualität medizinischer Entscheidungen zu gewährleisten, müssen ökonomische Einflüsse auf das Gesundheitssystem wirksam begrenzt werden. Bei gleicher Patientenstruktur, gleichen Vorerkrankungen und gleichen Behandlungsanlässen fällt das Honorarvolumen von Arztgruppenfällen in den MVZ höher aus als in Einzelpraxen. In MVZ im Eigentum von Private-Equity-Gesellschaften liegt das Honorarvolumen sogar noch eklatant höher. Aus diesem Grund fordern wir FREIE WÄHLER eine Begrenzung des marktbeherrschenden Einflusses und der Monopolisierungstendenzen von investorengeführten MVZ durch eine Beschränkung des Versorgungsanteiles von MVZ in der fachärztlichen Versorgung auf 15 Prozent der Ärzte in der Fachgruppe.

BZB: Bei der Telematik-Infrastruktur kommt es immer wieder zu Ausfällen. Auch der Schutz der Patientendaten ist nicht garantiert. Brauchen wir einen Reset bei der Digitalisierung unseres Gesundheitswesens?

Enders: Digitalisierung kann einen wichtigen Beitrag zur sinnvollen Vernetzung und damit auch besseren Versorgung der Patienten leisten. Die Einführung der elektronischen Patientenakte zieht sich jedoch bereits über Jahre hin, verursacht für niedergelassene Ärzte Kosten und die Datensicherheit und der Nutzen für die Patienten ist noch immer nicht überzeugend. Insofern muss Transparenz über Kosten und Nutzen geschaffen werden. Als FREIE WÄHLER ist uns besonders wichtig, dass der Patient zu jeder Zeit Herr über seine Daten bleibt.

BZB: Trotz steigender Ausbildungszahlen in Bayern suchen viele Zahnarztpraxen vergeblich nach Fachkräften. Welche Strategie verfolgt Ihre Partei, um das Fachkräfteproblem zu lösen?

Enders: Zahnmedizinische Fachangestellte sind eine wichtige Stütze zahnärztlicher Praxen. Um dem Fachkräftemangel auch in diesem Bereich zu begegnen, setzen wir uns für eine attraktive Ausgestaltung des Berufsbildes, der Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie eine leistungsgerechte Bezahlung ein.

BZB: Inhaber von Zahnarztpraxen sehen sich noch immer mit einer Fülle von bürokratischen Vorschriften – auch auf Landesebene – konfrontiert. Wo gibt es nach Ihrer Meinung Potenzial für den Bürokratieabbau?

Enders: Entbürokratisierung im medizinischen Bereich ist ein wichtiges Ziel von uns FREIEN WÄHLERN. Die Zeit des Zahnarztes soll für die Patientenversorgung aufgewendet werden und nicht für bürokratische Anforderungen. Geeignete Entbürokratisierungsmaßnahmen sollten von der Selbstverwaltung bestimmt werden, denn die Zahnärzte wissen selbst am besten, welche Formalien überflüssig sind.

BZB: Dual oder einheitlich – wie sieht für Sie und Ihre Partei das Krankenversicherungssystem der Zukunft aus?

Enders: Wir wollen keine Einheitsversicherung! Nach dem Motto „das Beste von der PKV und das Beste von der GKV“ setzen wir FREIE WÄHLER uns für eine Umstrukturierung beider Versicherungsarten ein. Aus diesem Grund haben wir das Konzept der „Sozialen Gesundheitsversicherung“ erarbeitet, das zu mehr Transparenz der im Gesundheitssystem befindlichen Gelder führt und den Menschen mehr Entscheidungsspielräume eröffnet. Denn jeder soll wählen können, ob er sich bei einer privaten oder einer gesetzlichen Krankenversicherung versichern möchte.


BZB: Selbstverwaltung, Freiberuflichkeit und Therapiefreiheit – welchen Stellenwert haben diese für die Zahnärzteschaft elementaren Begriffe für Sie und Ihre Partei?

Dr. Dominik Spitzer, MdL,
Gesundheitspolitischer Sprecher
der FDP-Fraktion © Bernhard Haselbeck

Spitzer: Für uns Freie Demokraten sind Freiberuflichkeit und Therapiefreiheit ein absolutes Muss. Die Zahnärzteschaft muss in medizinischen Fragen autonom und frei von Weisungen Dritter entscheiden können. Darüber hinaus bekennen wir uns zum Prinzip der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen. Die zahnärztliche Selbstverwaltung sollte weiterhin die Lebenswirklichkeit der Zahnärzte abbilden.

BZB: Während die Praxiskosten von Jahr zu Jahr steigen, stagniert der in der GOZ festgelegte Punktwert bereits seit 1988. Wie stehen Sie zum angestrebten Inflationsausgleich, der inzwischen von allen Zahnärzten gefordert wird?

Spitzer: Die Erhöhung des GOZ-Punktwertes für die Bewertung privatzahnärztlicher Leistungen ist längst überfällig und die gestiegenen Kosten müssen bei einer baldigen Neufestlegung einfließen.

BZB: Seit dem 1. Januar 2023 sind zahnärztliche Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung erneut budgetiert. Wie wollen Sie junge Zahnärzte dennoch für die Niederlassung begeistern?

Spitzer: Wir Freie Demokraten wollen jungen Zahnärzten ein attraktives Arbeitsumfeld ermöglichen. Deswegen setzen wir uns für die Entbudgetierung von zahnärztlichen Leistungen ein. Die zahnärztliche Versorgung muss weiterhin auf hohem Niveau erhalten bleiben und jede notwendig erbrachte Leistung muss vergütet werden. Ferner wollen wir die Entbürokratisierung vorantreiben, hierzu müssen Dokumentationspflichten überprüft und digitale Möglichkeiten nutzenbringend eingesetzt werden.

BZB: Internationale Investoren sehen den Medizinbereich als lukratives Investment. Brauchen wir strengere Regeln für Gründung und Betrieb Medizinischer Versorgungszentren (MVZ)?

Spitzer: Als Freie Demokraten sehen wir im Konzept der Medizinischen Versorgungszentren große Chancen als nachhaltige und ergänzende Versorgungsform im ambulanten Bereich. Wir möchten MVZ unter zahnärztlicher Leitung fördern. Für investorengeführte MVZ müssen ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen geschaffen und die Transparenz für Patienten verbessert werden. Ein Verbot wäre der falsche Weg. Wichtig ist, die richtigen Anreize für hohe Versorgungsqualität und eine bedarfsgerechte Versorgung zu garantieren. Jegliche Regelungen müssen die optimale Versorgung der Patienten in den Vordergrund stellen.

BZB: Bei der Telematik-Infrastruktur kommt es immer wieder zu Ausfällen. Auch der Schutz der Patientendaten ist nicht garantiert. Brauchen wir einen Reset bei der Digitalisierung unseres Gesundheitswesens?

Spitzer: Ja, wir brauchen einen Reset bei der Digitalisierung. Aus diesem Grund setzen wir uns für Schnittstellenlösungen statt Konnektoren ein. Statt Bestrafung der Leistungserbringer wollen wir ein attraktiv ausgestaltetes Belohnungssystem. Die Einführung der Digitalisierung in Zahnarztpraxen muss mit und nicht über die Ärzte hinweg erfolgen. Denn wir wollen die Digitalisierung des Gesundheitswesens voranbringen und brauchen die Mitwirkung der ambulant tätigen Zahnärzte. Wir unterstützen die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und weiterer digitaler Gesundheitsanwendungen – solange sie funktionell und unbürokratisch die Versorgungsqualität verbessern. Ein digitales Gesundheitssystem umfasst aus unserer Sicht den gesamten Prozess der Behandlung. Es beginnt bei der Terminbuchung über Onlineportale, ermöglicht telemedizinische Konsultationen, digitale Patientenbeobachtungen und -behandlungen sowie die Ein-Klick-Abrechnung mittels E-Rezept. Dabei stellen wir den selbstbestimmten Patienten in den Mittelpunkt: Patientinnen und Patienten haben in einem digitalen und vernetzten Gesundheitssystem selbst die Hoheit über ihre Gesundheitsdaten in der elektronischen Patientenakte. Sie entscheiden zu jeder Zeit, was mit ihren Daten geschieht.

BZB: Trotz steigender Ausbildungszahlen in Bayern suchen viele Zahnarztpraxen vergeblich nach Fachkräften. Welche Strategie verfolgt Ihre Partei, um das Fachkräfteproblem zu lösen?

Spitzer: Zum einen ist es wichtig, noch mehr jungen Menschen die Möglichkeit für ein zahnmedizinisches Studium in Bayern zu geben. Hierzu wollen wir die Studienplätze in diesem Beriech weiter ausbauen und den Numerus clausus als Zulassungssystem hinter uns lassen. Zum anderen müssen die generellen Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer in unserem Land verbessert werden. Höhere Löhne haben keinen Effekt, wenn die Steuerlast zunehmend steigt. Wir wollen durch steuerliche Entlastungen für die breite Mitte der Bevölkerung Arbeit wieder attraktiver machen und somit Leute motivieren, sich als Fachkraft – auch im zahnärztlichen Bereich – zu engagieren. Neben der Bezahlung sind auch die Rahmenbedingungen während der Ausbildungszeit zu verbessern.

BZB: Inhaber von Zahnarztpraxen sehen sich noch immer mit einer Fülle von bürokratischen Vorschriften – auch auf Landesebene – konfrontiert. Wo gibt es nach Ihrer Meinung Potenzial für den Bürokratieabbau?

Spitzer: Wir Freie Demokraten wollen die Entbürokratisierung des Gesundheitswesens vorantreiben. Dazu fordern wir eine „Bepreisung“ der Bürokratie- und Berichtspflichten. Das schärft den Fokus auf die Behandlung von Patienten und verhindert kleinteilige Gesetze und Verordnungen. Auf Landesebene fordern wir die Einsetzung einer Expertenkommission zur Entbürokratisierung im Gesundheitswesen. Nicht nur die Bürokratie, sondern auch unsinnige Gesetze lähmen die Innovationskraft von Anbietern und gehören auf den Prüfstand. Viele Leistungserbringer haben große Probleme, die geltenden Anforderungen einzuhalten. Wir müssen Zahnärzten wieder mehr Vertrauen schenken und die Bürokratie auf ein Minimum reduzieren.

BZB: Dual oder einheitlich – wie sieht für Sie und Ihre Partei das Krankenversicherungssystem der Zukunft aus?

Spitzer: Wir stehen zum dualen System der Krankenversicherung und wollen dieses auch für die Zukunft erhalten. Eine Bürgerversicherung, wie sie von anderen Parteien gefordert wird, führt weder zu einer besseren Versorgungssituation im Land noch zu wirklichen Einsparungen im System.

Den Fragenkatalog erarbeiteten Leo Hofmeier für die KZVB und Thomas A. Seehuber für die BLZK.