Wir wollen keine englischen Verhältnisse

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Kollege Dr. Michael Gleau hat für dieses BZB einen beeindruckenden Kommentar über das Gesundheitswesen in der ehemaligen DDR verfasst, in dem er seine persönlichen Erfahrungen mit der sozialistischen Mangelwirtschaft schildert. Auch aus Großbritannien erreichen uns alarmierende Meldungen über den Zustand des dortigen National Health Service, über die wir im letzten BZB berichteten. Menschen sterben, weil ihnen nicht rechtzeitig geholfen wird.

Wir Deutsche sind dagegen stolz auf unser Gesundheitssystem. Doch wie lange können wir das hohe Versorgungsniveau noch erhalten? Immer wieder treffen die politisch Verantwortlichen Entscheidungen, über deren Tragweite sie sich offensichtlich selbst nicht bewusst sind.

Nehmen wir nur das Beispiel MVZ: Erst seit 2015 ist es möglich, fachgruppengleiche MVZ zu gründen. Seitdem hat sich die Zahl der MVZ in der Zahnmedizin vervielfacht – vor allem die der fremdkapitalfinanzierten. Der Vormarsch internationaler Investoren in der ambulanten Versorgung ist ungebremst. Obwohl wir von Anfang an vor dieser Entwicklung gewarnt haben, dauerte es acht Jahre, bis auch die Bundesregierung das Problem erkannt hat. Karl Lauterbach hat zwar eine Verschärfung der Regeln für die Gründung von MVZ angekündigt, passiert ist allerdings noch immer nichts. Auch die Wiedereinführung der Budgetierung wird sich zwangsläufig auf die Patientenversorgung auswirken. Für begrenzte Mittel kann es nur begrenzte Leistungen geben. Den Frust und den Ärger, der mit dem Auf- und Ausbau der Telematik-Infrastruktur verbunden ist, kennen Sie aus eigener Erfahrung. Über die Nichtanpassung des seit 1988 geltenden GOZ-Punktwertes haben wir im BZB schon Bände geschrieben – und eine entsprechende Petition im Deutschen Bundestag eingereicht!

Michael Schwarz, Präsident des Verbandes Freie Berufe in Bayern e.V., sagt im Interview mit dem BZB zu Recht, dass er sich ein Gesundheitssystem ohne Freiberufler nicht vorstellen kann. Auch der Politik muss klar werden, dass der freiberuflich tätige Arzt und Zahnarzt das Rückgrat der ambulanten Versorgung bilden. Sie verhindern englische Verhältnisse, garantieren ein hohes Versorgungsniveau, die freie Arztwahl und kurze Wartezeiten.

Der Rückgang der Niederlassungsbereitschaft und der Trend zur Anstellung sind deshalb höchst alarmierend. In einigen Regionen haben MVZ in bestimmten Medizinbereichen bereits eine marktbeherrschende Stellung. Wenn wir das hohe Versorgungsniveau in Deutschland erhalten wollen, müssen wir den Konzentrationsprozess stoppen und die Niederlassung für die jungen Kollegen wieder attraktiver machen. Die politischen Sofortmaßnahmen dafür lauten: sofortige Abschaffung der Budgetierung, Erhöhung des GOZ-Punktwertes und ein Reset bei der Telematik-Infrastruktur.

Wenn das nicht passiert, könnten Zustände, wie sie Dr. Gleau beschreibt, auch bei uns bald traurige Realität werden. Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt!

Ihr

Dr. Rüdiger Schott
Vorsitzender des Vorstands der KZVB