Foto: © Min Chiu – stock.adobe.com

Wenn in der Sahara der Sand ausgeht …

Dr. Michael Gleau über das DDR-Gesundheitswesen

Dr. Michael Gleau wurde 1951 in Leipzig geboren und wuchs in der ehemaligen DDR auf. Von 1970 bis 1971 saß er wegen versuchter Republikflucht in Stasi-Haft. Nach seiner Ausreise in den Westen studierte er in München Zahnmedizin und ist bis heute in eigener Praxis tätig.

Immer, wenn ich Sahra Wagenknecht im Fernsehen sehe, bekomme ich Bauchschmerzen. Ich fühle mich dann sofort an meine Kindheit und Jugend in der ehemaligen DDR erinnert. Insbesondere an einen Krankenhausaufenthalt nach einer Blinddarmoperation! Was ich damals erlebt habe, kann man nur schwer in Worte fassen. In meinem „Zimmer“, das eher ein Schlafsaal war, lagen 15 Patienten mit den unterschiedlichsten Krankheiten. Nachts konnte ich wegen des Stöhnens und der Schmerzensschreie meiner Bettnachbarn kein Auge zumachen. Die sanitären Verhältnisse spotteten jeder Beschreibung. Für die ganze Station gab es drei Toiletten, vor denen sich morgens lange Schlangen bildeten. Einige Patienten schafften es nicht mal bis aufs Klo! Auch die medizinische Behandlung war meilenweit von internationalen Standards entfernt. Niemand hat gezählt, wie viele Patienten wegen der unzureichenden Versorgung ihr Leben lassen mussten. Letztlich sind auch sie „Opfer des SED-Regimes“.

Wagenknecht und viele ihrer Parteifreunde von der Linken haben den real existierenden Sozialismus noch selbst erlebt. Sie müssten wissen, wie sich Planwirtschaft auf die Gesundheit der Menschen auswirkt. Doch dazugelernt haben sie offensichtlich wenig. In ihrem 156-seitigen Programm für die letzte Bundestagswahl fordern sie weiterhin einen „Systemwechsel in Gesundheit und Pflege“. Eine „solidarische Gesundheitsversicherung“ soll das duale System von gesetzlicher und privater Krankenversicherung ablösen. Dadurch und durch die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze sollen die „Reichen“ stärker zur Kasse gebeten werden. Selbstverständlich soll es bei einer Regierungsbeteiligung der Linken „alles für alle“ geben – von der Brille über Zahnersatz bis hin zur Physiotherapie. „Zuzahlungen und Eigenanteile fallen in Zukunft weg. Medizinisch unnötige Behandlungen privat Versicherter für den Profit sollen der Vergangenheit angehören.“ Natürlich werden die privaten Gebührenordnungen abgeschafft. Herzlich willkommen in der Staatsmedizin! Mich erinnert das an den alten DDR-Witz: „Was passiert, wenn die Wüste Sahara sozialistisch wird? Zehn Jahre nichts und danach wird der Sand knapp!“

Das Problem der Linken ist und bleibt, dass sie das verteilt, was andere erwirtschaften. Und sie ist eine zutiefst leistungsfeindliche Partei. Unser Gesundheitssystem funktioniert aber nur, weil es Leistungsträger wie uns niedergelassene Zahnärzte gibt, die nicht auf die Uhr schauen und für die der Patient im Mittelpunkt steht. Der freiberuflich tätige Arzt und Zahnarzt ist das Rückgrat der Versorgung. Er hat Anspruch auf ein angemessenes Einkommen, das er nur mit GKV-Leistungen schon lange nicht mehr erwirtschaften kann. Der Rückgang der Niederlassungsbereitschaft und der Trend zur Anstellung sind ein alarmierendes Signal. Schon heute gibt es bei vielen Fachärzten lange Wartezeiten. Die Einheitsversicherung der Linken würde die Probleme, da sind sich alle Experten einig, weiter verschärfen. Zudem würde ein zweiter Gesundheitsmarkt entstehen, auf dem man gegen Barzahlung das bekommt, was das staatliche Gesundheitssystem nicht leisten kann (siehe Großbritannien!). Ich gestehe einem jungen Menschen zu, dass er vom Sozialismus und einer gerechteren Welt träumt. Doch bei Sahra Wagenknecht, die 1969 in Jena geboren wurde, ist das Festhalten an linken Utopien entweder Dummheit oder wohl durchdachte Wählertäuschung.