MVZ-Betreiber weiter auf Expansionskurs
Bei jeder neunten Arztpraxis in Deutschland klopfte bereits einmal ein Investor mit konkreten Kaufabsichten an. Eine aktuelle Erhebung der Stiftung Gesundheit bestätigt, was sich ohnehin seit Längerem als Trend abgezeichnet hat: Zahnarzt- und Facharztpraxen versprechen hohe Rendite und stehen daher bei potenziellen Interessenten hoch im Kurs.
Praxen von Augenärzten, Radiologen, Orthopäden, Kardiologen, aber auch von Hausärzten sind besonders gefragt. Jede sechste Facharztpraxis (17,1 Prozent) hat demnach schon einmal ein Kaufangebot erhalten, ermittelte die Stiftung Gesundheit nun in einer Online-Abfrage. Und auch knapp jeder siebte Zahnarzt (14,8 Prozent) wurde bereits konkret angesprochen.
Aus Sicht von Investoren bilden Praxen lukrative Anlageobjekte. Integriert in ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), werden sie noch einmal mehr zum Renditebringer. Gibt es gute Gründe für einen Verkauf und stimmen Preis und alle übrigen Konditionen ebenfalls, so könnten sich knapp 40 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte, die explizit noch kein Angebot erhalten haben, den Verkauf ihrer Praxis durchaus vorstellen. Doch nur 8,5 Prozent derjenigen, denen ein Angebot unterbreitet wurde, haben auch tatsächlich verkauft. Ein weiteres Viertel hätte bei Vorlage stimmiger Konditionen zwar ebenfalls akzeptiert, doch das Gros mit 66 Prozent lehnte einen Verkauf kategorisch ab. Legt man diese Werte zu Grunde, habe, bezogen auf die Grundgesamtheit, ein Prozent der niedergelassenen Ärzte demnach ihre Praxis bereits an einen Investor verkauft, fasst die Stiftung Gesundheit auf ihrer Website zusammen.
In der Gruppe nichtärztlicher Heilberufler sind Praxen von Ergo- oder Physiotherapeuten offenbar interessantere Investitionsobjekte als die von Logopäden, Heilpraktikern oder auch von Apotheken. Die Nachfrage hieran ist allerdings längst nicht so hoch wie die nach Zahnarzt- oder Arztpraxen. Die von der Stiftung Gesundheit erhobenen Daten reihen sich ein in die Debatte um die Konzentrationsprozesse investorengetragener Medizinischer Versorgungszentren (iMVZ). Die Bundesländer sind sich mehrheitlich einig, dass hier stärkere Regulierungsmaßnamen greifen müssten. Im Auftrag der Gesundheitsministerkonferenz soll das Land Bayern entsprechende Anträge erstellen und zur weiteren Entscheidung in den Bundesrat einbringen. Bei Redaktionsschluss dieses BZB lagen hierzu allerdings noch keine aktuelleren Informationen vor.
Für die KZVB ist klar: Es ist fünf vor zwölf, wenn die gewachsene Versorgungslandschaft erhalten werden soll. „Wir brauchen endlich strengere Regulierungen für die Gründung und den Betrieb von MVZ. Wenn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach seinen Worten nicht bald Taten folgen lässt, ist die Industrialisierung der Medizin nicht mehr zu stoppen“, so der KZVB-Vorsitzende Dr. Rüdiger Schott. Die Stiftung Gesundheit wertete für die Erhebung zur Praxisübernahme durch Investoren insgesamt 1.661 Fragebögen aus. Die Online-Befragung wurde vom 1. bis 8. März 2023 durchgeführt und richtete sich an einen repräsentativen Querschnitt von ambulant tätigen Ärzten, Zahnärzten, Psychologischen Psychotherapeuten und Vertreter nichtärztlicher Heilberufe.
Ingrid Scholz