Für seine Lehrtätigkeit im Kurs 1 der Zahnerhaltung und Parodontologie erhielt Priv.-Doz. Dr. Matthias Widbiller letztes Jahr den „Preis der guten Lehre“.

Vorbild für gute Lehre

Interview mit Priv.-Doz. Dr. Matthias Widbiller

Priv.-Doz. Dr. Matthias Widbiller ist seit 2019 Oberarzt an der Poliklinik
für Zahnerhaltung und Parodontologie am Uniklinikum Regensburg.

Seit 2019 ist er Oberarzt an der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie sowie Betreuer des Zahntraumazentrums am Universitätsklinikum Regensburg. Als Leiter des Behandlungskurses 1 der Zahnerhaltung und Parodontologie gilt Priv.-Doz. Dr. Matthias Widbiller unter den Studierenden als Vorbild: Letztes Jahr wurde ihm der „Preis der guten Lehre“ verliehen. Darüber hinaus erhielt er für seine Forschungsarbeit zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt 2020 den international renommierten „Robert Frank Award“ der International Association of Dental Research in Europa. Das BZB traf sich mit ihm zu einem Gespräch über seine Arbeit – auch unter Corona-Bedingungen.

BZB: Herr Priv-Doz. Dr. Widbiller, Sie haben 2021 den „Preis der guten Lehre“ gewonnen. Dieser Preis ist etwas Besonderes, da er nur einmal pro Jahr unter allen Lehrenden der Fakultät für Medizin vergeben wird. Die Nominierten ergeben sich also aus der Evaluation unter Studierenden. Was bedeutet Ihnen dieses positive Feedback auf Ihre Arbeit als Lehrender?

Widbiller: Der Preis bedeutet mir persönlich sehr viel und stellt für mich eine wertvolle Auszeichnung dar. Einerseits, weil sehr viele Lehrende mehrerer Fachbereiche zur Auswahl standen, zum anderen würdigt dieser Preis etwas, das mir sehr am Herzen liegt: Wissen, das man sich selbst erarbeitet hat, an Studierende weiterzugeben und eine fundierte Ausbildung zu gewährleisten, die gleichzeitig in einer angenehmen Atmosphäre stattfindet. Inwiefern man dieser Aufgabe gerecht wird, kann man selbst oft nur schwer einschätzen, und da freue ich mich natürlich über solch ein Feedback von studentischer Seite ganz besonders.

BZB: In den Preis fließen viele verschiedene Aspekte ein. Neben Innovation und zwischenmenschlichen Kompetenzen werden die Aktualität der Datenlage und die Professionalität bewertet, die der Dozent oder die Dozentin einbringt. Gibt es etwas, das Ihnen in Bezug auf gute Lehre am wichtigsten ist, oder geht alles Hand in Hand?

Widbiller: Das sehe ich recht differenziert, da es sehr viele Aspekte gibt und für unterschiedliche Kurse und Seminare verschiedene Punkte besonders ins Gewicht fallen. Sicherlich geht vieles Hand in Hand, man sollte aber keinen der Punkte vernachlässigen. Neben der aktuellen Datenlage oder Professionalität muss natürlich immer der Inhalt stimmen. Besonders wichtig ist mir persönlich, auf Augenhöhe zu kommunizieren, eine kollegiale Atmosphäre zu schaffen und auf Fragen einzugehen. Es sollte nicht gegeneinander, sondern immer miteinander an einem gemeinsamen Ziel gearbeitet werden. Dieses besteht vor allem in einer gewinnbringenden Ausbildung und guten Examensvorbereitung für Studierende. In Bezug auf die Behandlungskurse liegt der Fokus darüber hinaus auf der einwandfreien Versorgung der Patienten und dem erstmaligen Patientenkontakt der Studierenden, was ja durchaus eine sehr spannende Herausforderung darstellt.

BZB: Immer wieder nehmen Studierende den Umgang zwischen Assistenzärzten/-ärztinnen und Studierenden an der Uniklinik als weniger kollegial wahr. Ist dahingehend eine Veränderung im Gange? Wie schaffen Sie es, Kommunikation auf Augenhöhe mit einer höchst lehrreichen Atmosphäre zu kombinieren?

Widbiller: Ich würde sagen, neben neuen Lehrmethoden hat sich die Mentalität unter Lehrenden im Laufe der letzten Jahre deutlich verändert, wobei die Kommunikation auf Augenhöhe einen wichtigen Punkt darstellt. Sicherlich ist diese Entwicklung nicht überall gleich dynamisch und abhängig von bestehenden Hierarchien in einzelnen Abteilungen. Ich habe den Eindruck, dass wir in unserem gesamten Team respektvoll und offen kommunizieren, was sich auf die Lernatmosphäre überträgt. Meiner Meinung nach sorgt gerade der kollegiale Umgang zwischen Lehrenden und Studierenden dafür, die Qualität der Patientenbehandlung anzuheben, und das ist im Endeffekt das gemeinsame Ziel aller. Probleme entstehen meistens dann, wenn ungünstige Voraussetzungen wie Unsicherheit oder Zeitdruck vorherrschen. Hier kann ich als Lehrender den Studierenden unter die Arme greifen, indem ich Fragen beantworte und einen möglichst entspannten Rahmen schaffe. Mich freut es natürlich, wenn das von Studierenden wertgeschätzt wird. Man spürt das aber auch im Alltag: Die Motivation in den Kursen steigt, und es macht letztendlich allen Beteiligten mehr Spaß, in einem kollegialen Umfeld zu arbeiten.

BZB: Sie haben von neuen Lehrmethoden gesprochen, die zur positiven Entwicklung beigetragen haben. In welchen Bereichen haben sich neue Herangehensweisen etabliert?

Widbiller: Gerade im pädagogischen Bereich bestehen mittlerweile Möglichkeiten, sich intensiv weiterzubilden. Das ist sehr wertvoll, da wir Lehrende an der Klinik ursprünglich als Zahnmediziner und nicht als Pädagogen ausgebildet wurden. An der Regensburger Uni existiert am Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik ein Team aus sehr motivierten Pädagogen und Pädagoginnen, die unter anderem Dozenten-Kurse rund um eine gelungene Lehre anbieten. Wir haben viele junge Kollegen und Kolleginnen, die dort aktiv Kurse belegen und versuchen, an sich zu arbeiten und neue Lehrmethoden einzubringen.

Die Liveübertragung zahnärztlicher Behandlungen in den Hörsaal ist eine von vielen Inno-
vationen, die die studentische Lehre heute auszeichnet.

BZB: Welches dieser neuen Methoden haben sie bereits erfolgreich in den Lehralltag integriert?

Widbiller: Das sogenannte „TAP-System“ (Teaching Analysis Poll) ist eines von vielen spannenden Tools. Ich habe es während meiner frühen Assistenzzeit an der Klinik in die Kurse integriert. Die Studierenden setzen sich zu Semestermitte mit einem externen pädagogischen Mitarbeiter zusammen und evaluieren anonym und in Kleingruppen förderliche und hinderliche Aspekte der Lehre in einem aktuell laufenden Kurs. Im Nachgang setzen wir uns in einem kleinen Team aus Kursleitern zusammen, werten die Ergebnisse aus und überlegen im gemeinsamen Austausch mit unserem Direktor, Prof. Dr. Wolfgang Buchalla, wie hinderliche Aspekte, die mehrheitlich genannt wurden, bestenfalls noch im laufenden Semester angepasst werden können.

BZB: Was sind typische hinderliche und förderliche Aspekte, die von Studierenden genannt werden?

Widbiller: Klassische hinderliche Punkte stellen beispielsweise Zeitdruck, fehlende Ansprechbarkeit von Dozenten sowie mangelnde Offenheit im gemeinsamen Austausch dar. Darüber hinaus kann ein zu hoch angesetztes Punktesystem zur Erbringung von Kursleistungen den Lerneffekt schmälern. Förderliche Punkte sind für Studierende häufig eine offene Kommunikation und wenn Vorlesungen ansprechend gestaltet sind.

BZB: Gerade das Punktesystem – also wie viele Punkte in Form von Behandlungsleistungen zu Kursende erbracht sein müssen – ist sicherlich schwer an die Wünsche der Studierenden anzupassen?

Widbiller: Über das Punktesystem diskutieren wir intern immer wieder. Einerseits möchte man ein vergleichbares Leistungsniveau zwischen den Teilnehmenden herstellen, wofür ein Punktesystem einen guten quantitativen Maßstab bietet. Andererseits kann es dazu führen, dass Studierende zu viel Augenmerk auf den „Punktewert“ einer Behandlung legen und ein ständiges Errechnen der noch zu erbringenden Leistungen die Organisation der Behandlungen erschwert. Erste Versuche, Kurse ohne ein Punktesystem durchzuführen, zeigen, dass die hohe Eigenverantwortung der Studierenden über ein solches Punktesystem gehen kann. Ich persönlich sehe daher einen großen Wert im freien System.

BZB: Welche neuen Lehrmethoden beobachten Sie in Bezug auf Kurs- und Prüfungsformate im Vergleich zu Ihrer Zeit als Studierender?

Widbiller: Neben Evaluationsmethoden haben sich neue Prüfungsformate etabliert, wie zum Beispiel das OSCE („Objective Structured Clinical Examination“). Es handelt sich um eine Prüfungsform, bei der nicht nur Endergebnisse einer praktischen Arbeit, sondern ganze Abläufe mit in die Bewertung einfließen. Konkret durchlaufen Studierende zum Ende des Phantomkurses 3 mehrere kliniknahe Prüfungsstationen. Bewertet wird nicht nur die Präparation oder Füllung an sich, sondern auch, wie man die notwendigen Arbeitsschritte beherrscht, also den Kofferdam anlegt, konditioniert oder die Füllung legt. Zudem werden relevante „Skills“ im Umgang mit Patienten bewertet. Während sich Testate früher auf ein Endergebnis bezogen, fließt heute eine Summe verschiedener Faktoren mit ein. Ich beobachte hinsichtlich neuer Lehrmethoden eine Art Gruppendynamik: Wenn einer beginnt, sich etwas Neues zu überlegen, kommen Kollegen auf wunderbare Ideen.

BZB: Während der Corona-Pandemie konnten praktische Kurse zeitweise nicht mehr stattfinden. Wie haben Sie diese Zeit erlebt und welche Konsequenzen hatte diese Zeit auf die studentische Lehre?

Widbiller: Als sich im März 2020 angekündigt hat, dass die Studierenden bald nicht mehr an die Klinik kommen können, war das im ersten Moment ein Schock für uns alle. Die praktische Ausbildung ist natürlich ein sehr wichtiger Bestandteil des Zahnmedizinstudiums. Digitale Lehrformate hatten wir nicht in der Schublade und mussten in relativ kurzer Zeit versuchen, neue Verfahren zu entwickeln, um die Studierenden weiterhin auf hohem Niveau ausbilden zu können. Die gesamte Abteilung hat sich als Team dieser Herausforderung angenommen und ein Online-Lehrsystem aufgebaut, aus dem alle klinischen Semester schöpfen konnten. Was zunächst ausblieb, war die praktische Ausbildung am Patienten. Sobald das durch die Entspannung der Pandemiesituation wieder möglich war, haben wir aber versucht, Ersatzbehandlungszeit und Famulaturen anzubieten. So wurden versäumte Behandlungszeiten in den Semesterferien nachgeholt, um jedem ein vernünftiges Maß an praktischer Ausbildung zu ermöglichen und Defizite in der praktischen Lehre zu verhindern.

BZB: Sie haben in beachtlicher Geschwindigkeit eine Online-Mediathek mit Vorlesungen und Leistungskontrollen aufgebaut. Wie war das innerhalb weniger Wochen möglich?

Widbiller: Ich habe mich persönlich schon immer für das Thema Online-Lehre interessiert und dazu Kurse belegt. Damit hatte ich zwar eine gute Übersicht über die unterschiedlichen Möglichkeiten, wobei die praktische Umsetzung nicht allein zu bewerkstelligen gewesen wäre. Mein Team im Behandlungskurs 1 hat sich dieser Herausforderung mit großem Engagement angenommen und gemerkt, dass unser Angebot von den Studierenden sehr gut angenommen wird. Das hat uns motiviert, die Module weiter auszubauen. Wir hatten den großen Anspruch, dass Studierende trotz der ungünstigen pandemischen Rahmenbedingungen weiterkommen können.

BZB: Sie sind neben Ihrer Rolle als Kursleiter wissenschaftlich sehr erfolgreich. 2020 haben Sie den renommierten „Robert Frank Award“ der International Association of Dental Research in Europa für Ihre Forschungsarbeit über Dentinmatrixproteine im Zuge regenerativer Verfahren gewonnen.

Widbiller: An der Uniklinik Regensburg und speziell in meinem Labor beschäftigen wir uns unter anderem mit regenerativen endodontischen Verfahren. In den letzten Jahren habe ich mich immer mehr auf das Dentin konzentriert, da es aufgrund der Vielfalt enthaltener Biomoleküle eines der spannendsten Gewebe im Körper darstellt. Im Zuge unserer Arbeit konnten wir über 800 Proteine im Dentin nachweisen, die wir mit Wurzelkanalspülungen gewinnen und zur Regeneration der Zahnpulpa einsetzen können. Gerade bei jungen Patienten wäre die Regeneration einer verlorenen Zahnpulpa wünschenswert, weil bei unreifen Zähnen die Möglichkeit besteht, dass sich die Wurzeln weiter ausbilden und der Zahn damit an Stabilität gewinnt.

BZB: Sie gelten als Vorbild für Studierende, bringen Innovation in die studentische Lehre und sind wissenschaftlich aktiv. Wie schaffen Sie es, sich trotz allem Struktur und Gelassenheit zu bewahren?

Widbiller: Gerade die Kombination aus pädagogischer, wissenschaftlicher und klinischer Arbeit macht mir unglaublich viel Freude, die auch an stressigen Arbeitstagen überwiegt.

BZB: Vielen Dank für das interessante Gespräch und alles Gute!

Das Interview führte die Zahnärztin und Podcasterin Eva-Maria Prey.

DAS INTERVIEW IM PODCAST

Das ganze Gespräch mit Priv.-Doz. Dr. Matthias Widbiller ist im Dentalstarter-Podcast von Eva-Maria Prey auf allen gängigen Podcast-Plattformen zu hören. Direkt zum Podcast