Mit Beginn des Wintersemesters 2021/2022 bildet eine neue Approbationsordnung für Zahnärzte (ZApprO) die Grundlage für das Studium der Zahnmedizin. Studierende, die zuvor ihre Ausbildung begonnen haben, werden sie noch nach der bis dahin geltenden alten Approbationsordnung abschließen. Bedingt durch die Corona-Pandemie wurde das ursprünglich zum 1. Oktober 2020 vorgesehene Inkrafttreten um ein Jahr verschoben, um den Universitäten die Umstellung zu erleichtern. Zu den wesentlichen Neuerungen des Studiums zählen künftig eine Famulatur nach dem ersten Studienabschnitt, eine Ausbildung in Erster Hilfe und ein einmonatiger Pflegedienst. Das Studium gliedert sich in drei Abschnitte und beinhaltet wie bisher einen Umfang von 5 000 Stunden mit einer Dauer von fünf Jahren. So geben es das Zahnheilkundegesetz (ZHG) und die Europäische Berufsanerkennungsrichtlinie (BA-RL) vor.
Ein langer Weg
Rückblickend kann man die zu Beginn der 2000er-Jahre von der Zahnärzteschaft vorgelegte „Neubeschreibung der Zahnheilkunde“ als Initialzündung nicht nur für die Berufsausübung, sondern auch für eine zeitgemäße Berufsausbildung bezeichnen. Die Betonung des Präventionsansatzes berücksichtigte vor allem die Wechselwirkungen und Erkrankungen des Mundraumes mit dem Gesamtorganismus. Der Wissenschaftsrat (WR) hatte schon im Jahr 2005 gefordert, Ausbildungsinhalte und -strukturen des Zahnmedizinstudiums zu revidieren. Für eine interdisziplinäre Lehre wurden mehr als 30 „Konvergenzbereiche“ in medizinischer und zahnmedizinischer Ausbildung benannt. Leitbild einer neuen Ausbildungsordnung im „Querschnittsfach“ Zahnmedizin müsse – so die Empfehlung des WR – der wissenschaftlich und praktisch ausgebildete Zahnarzt sein, der zu eigenverantwortlicher und selbstständiger Berufsausübung sowie zur Weiterbildung und ständigen Fortbildung befähigt ist.
Entwürfe der Bundesregierung
Diesen Anspruch erhoben – Jahre später – auch die Eckpunktepapiere und Referentenentwürfe des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) für eine neue Approbationsordnung. 2017 schlug der damals zuständige Minister, Hermann Gröhe (CDU), eine gemeinsame ärztliche und zahnärztliche Ausbildung im vorklinischen Studienabschnitt vor. Die Ausbildungsinhalte sollten neu gewichtet werden, indem beispielsweise zahntechnische Lerninhalte auf die im Beruf erforderlichen Arbeitsweisen konzentriert wurden. Der BMG-Entwurf sah auch eine bereits vom WR geforderte Verbesserung der Betreuungsrelation zwischen Studierenden und Lehrenden vor. So sollte insbesondere der Personalschlüssel im Verhältnis Lehrende zu Studierenden bei der Behandlung am Patienten von 1 : 6 auf 1 : 3 verbessert werden.
Dies ist allerdings mit zusätzlichen Kosten für die Länder als Hochschulträger verbunden. Und genau an diesem Punkt scheiterte die erste Vorlage im Bundesrat. Auch der Versuch der Bayerischen Staatsregierung, die Regelungen erneut zur Abstimmung zu stellen, war nicht von Erfolg gekrönt. Umso überraschender für viele Beobachter kam es im Juni 2019 auf Antrag der Bundesländer Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein zur erneuten Befassung der Länderkammer mit einem Vorschlag, der im Wesentlichen auf der „alten“ Approbationsordnung beruhte. Die Betreuungsrelation wurde angepasst, darf nach einer Resolution der Länderkammer aber nicht zum Abbau von Studienplätzen führen. Das führt zu der Sorge, dass diese Verbesserung durch Reduzierung der Stundenzahl „erkauft“ wird.
Grundlagen der neuen Ausbildungsvorschriften
Auch die aktuelle ZApprO hat den wissenschaftlich und praktisch ausgebildeten Zahnarzt im Blick, dem im Studium grundlegende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in allen Fächern vermittelt werden, die für die zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung erforderlich sind. Diese Ausbildung wird auf wissenschaftlicher Grundlage durchgeführt und beinhaltet künftig Gesichtspunkte zahnärztlicher Gesprächsführung sowie zahnärztlicher Qualitätssicherung. Sie soll die Bereitschaft der Zusammenarbeit mit Kollegen fördern (§ 1 Abs. 1, 2 ZApprO). Die Rechtsverordnung nimmt im Grundsatz Festlegungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 Zahnheilkundegesetz (ZHG) auf. Dort wird die Ausübung der Zahnheilkunde als berufsmäßige auf zahnärztlich-wissenschaftlichen Erkenntnissen gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten definiert.
Die Universitäten müssen nach der ZApprO fachübergreifenden Unterricht und Unterricht in „Querschnittsbereichen“ (mit der Medizin) anbieten. Zudem können Studierende bis zum ersten Abschnitt der zahnärztlichen Prüfung angebotene Wahlfächer belegen, die benotet und in das Zeugnis aufgenommen werden. In ihren Studienordnungen regeln die Hochschulen, an welchen Unterrichtsveranstaltungen in Gestalt von Vorlesungen, praktischen Übungen und Seminaren die Studierenden erfolgreich teilzunehmen haben.
Kompetenzbasierter Lernzielkatalog
Zentrale Bedeutung für die Inhalte des Studiums der Zahnmedizin kommt dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog (NKLZ) zu. Er beschreibt das Absolventenprofil von Zahnärzten bis zur Approbation im Sinne eines „Kerncurriculums Zahnmedizin“ und orientiert sich dabei an den gesetzlichen Vorgaben für das Studium und an der geltenden Approbationsordnung. Unter dem Dach der Akademie für Ausbildung in der Hochschulmedizin erarbeiteten verschiedene Fachgruppierungen, so unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), gemeinsam mit den zahnärztlichen Berufs- und Standesorganisationen einen 21 Kapitel umfassenden Entwurf, der vom Ordentlichen Medizinischen Fakultätentag (MFT) im Juni 2015 verabschiedet wurde und seither gilt.
In drei großen Abschnitten werden dort die Rollen des Zahnarztes, geprägt durch medizinisches Wissen, klinische Fähigkeiten und professionelle Haltungen sowie Grundsätze einer patientenzentrierte Gesundheitsversorgung beschrieben. Dabei benennt der NKLZ nicht nur zahnmedizinische Kompetenzen, die im Laufe der Berufsausbildung erworben werden, sondern beispielsweise auch Kommunikation, Teamfähigkeit, Gesundheitsberatung und -fürsprache, Verantwortung und professionelles Handeln. Die Kompetenzebenen werden durch Faktenwissen, Handlungs- und Begründungswissen sowie Handlungskompetenz charakterisiert.
Der NKLZ misst Zahnärzten eine Schlüsselfunktion im Gesundheitswesen und in der Gesellschaft zu. Im Fokus unterschiedlicher Erwartungen und Interessen müsse das Medizinstudium mehreren Dimensionen Rechnung tragen. So werden neben der unstrittigen Kompetenz der wissenschaftlichen Analyse, der Erhebung und Bewertung von Daten und Fakten, der biologischen, physiologischen und psychosozialen Interdependenzen des Menschen in Gesundheit und Krankheit auch besondere Persönlichkeitsmerkmale und Haltungen wie Respekt, Empathie, Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit erwartet.
Studienabschnitte nach der ZApprO
Die fachlichen Inhalte des Studiums werden in erster Linie durch Prüfungsbestimmungen definiert. Zum ersten Abschnitt (erstes bis viertes Semester) zählen die Fächer Physik, Chemie, Biologie, Biochemie und Molekularbiologie, mikroskopische und makroskopische Anatomie, Physiologie und Zahnmedizinische Propädeutik. Nach Ende des zweiten Studienabschnitts, frühestens am Ende des zweiten Fachsemesters, erfolgt die Prüfung in den Fächern Zahnärztliche Prothetik, Kieferorthopädie, Oralchirurgie sowie Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und in der Fächergruppe Zahnerhaltung, Endodontologie, Kinderzahnheilkunde, Parodontologie und Zahnhartsubstanzlehre, Prävention und Restauration.
In der mündlich-praktischen und schriftlichen Prüfung nach dem dritten Abschnitt, die frühestens am Ende des vierten Fachsemesters nach Bestehen des zweiten Abschnitts stattfindet, zeigt der Studierende, dass er in der Lage ist, die klinisch-zahnmedizinischen und die für die zahnärztliche Tätigkeit notwendigen medizinischen Zusammenhänge zu erfassen und über Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten auf dem jeweiligen Prüfgebiet verfügt, die für die zahnärztliche Versorgung erforderlich sind. Im schriftlichen Teil werden die Fächer Pharmakologie und Toxikologie, Pathologie, Hygiene, Mikrobiologie und Virologie, Innere Medizin sowie Dermatologie und Allergologie geprüft. Eine Prüfung erfolgt ebenso in sogenannten Querschnittsbereichen, hier zum Beispiel der klinischen Werkstoffkunde, der Zahnmedizin und Medizin des Alterns und des alten Menschen sowie im Bereich Ethik und Geschichte der Medizin und Zahnmedizin. Außerdem soll ein Nachweis wissenschaftlichen Arbeitens mit den Schwerpunkten medizinische Biometrie, medizinische Informatik, Literaturrecherche und -bewertung sowie evidenzbasierte Medizin erfolgen.
Regelungen für Antragsteller aus EU und Drittstaaten
Wer sein nach dem ZHG vorgegebenes Studium nicht in Deutschland abgeschlossen und mit der Staatsprüfung bestanden hat oder seine Qualifikation nicht durch Vorlage eines Europäischen Berufsausweises nachweisen kann, diese Ausbildung jedoch in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder einem sogenannten Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) und der Schweiz absolviert hat, muss die Gleichwertigkeit seiner Ausbildung nachweisen. So schreibt es § 2 Abs. 2 ZHG vor. Der Ausbildungsstand gilt als gleichwertig, wenn die Ausbildung keine wesentlichen Unterschiede gegenüber den Maßgaben des ZHG und der Approbationsordnung erkennen lassen. Wesentliche Unterschiede liegen vor, wenn die Ausbildung der Antragsteller hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit Fächer beinhaltet, die sich wesentlich von der deutschen Ausbildung unterscheiden, oder der Beruf des Zahnarztes eine oder mehrere reglementierte Tätigkeiten umfasst, die in dem Staat, der den Ausbildungsnachweis ausgestellt hat, nicht Bestandteil des Berufes des Zahnarztes sind, und die deutsche Ausbildung Fächer enthält, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Ausbildungsnachweis der Antragsteller abgedeckt werden.
Wesentliche Unterschiede können grundsätzlich durch Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeglichen werden, die die Antragsteller im Rahmen ihrer zahnärztlichen Berufspraxis in Voll- oder Teilzeit oder durch lebenslanges Lernen erworben haben. Dieser Nachweis ist durch eine Eignungsprüfung zu erbringen, die sich auf die festgestellten wesentlichen Unterschiede bezieht. Das gilt auch für Antragsteller, die über einen Ausbildungsnachweis als Zahnarzt verfügen, der in einem Drittland ausgestellt ist und ein anderer Staat diesen Ausbildungsnachweis anerkannt hat.
Perspektiven
Der Satz „Was lange währt, wird endlich gut“ trifft für die neue zahnärztliche Approbationsordnung nur bedingt zu. Impulse, die vom WR und von der verfassten Zahnärzteschaft mit dem Konzept einer Neubeschreibung der Zahnheilkunde ausgingen, hat der Verordnungsgeber zwar aufgegriffen, jedoch nur halbherzig umgesetzt. So bleibt die neue Rechtsverordnung hinter den Reformvorschlägen des BMG zurück, das sich für eine fachliche Verzahnung mit dem Medizinstudium in den vorklinischen Semestern ausgesprochen hatte.
Zu begrüßen ist, dass es nun endlich belastbare Regelungen für die Feststellung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes und die Eignungsprüfung bei Antragstellern aus der EU oder Drittstaaten sowie Regelungen für die Erteilung einer Erlaubnis zur vorübergehenden Tätigkeit als Zahnarzt gibt. Das aber ändert die Studienbedingungen vor Ort nicht, auch wenn es bei der Betreuungsrelation zwischen Lehrenden und Lernenden eine Anpassung geben wird.
Bleibt also die Frage, was der Politik ein Studium „wert“ ist, das neben dem nötigen Fachwissen zur zahnärztlichen Versorgung auch persönliche Kompetenzen vermitteln soll und bei allem dem Anspruch von Wissenschaftlichkeit sowie der Entwicklung in Forschung und Wissenschaft gerecht wird. Das mündet auch in die nicht nur für Verfassungsjuristen interessante Frage, ob den Gesetz- und Verordnungsgeber in Zusammenhang mit der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG auch Schutzpflichten für eine angemessene Ausstattung der staatlichen Ausbildung treffen.
Prof. Dr. Reinhard Hickel, Dekan der Medizinischen Fakultät an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München und seit vielen Jahren der entschiedenste Verfechter eines an wissenschaftlichen Grundsätzen und zeitgemäßen Inhalten ausgerichteten Ausbildungsrechts für angehende Zahnärzte, hat eine ausreichende Finanzierung durch die Bundesländer immer wieder angemahnt, damit eine qualitativ hochwertige und moderne Lehre praktiziert werden kann (siehe BZB 7-8/2019, S. 7). Diese Notwendigkeit eines zeitgemäßen Studiums scheinen alle Beteiligten erkannt zu haben. Leider wurden die daraus folgenden Konsequenzen bei der Finanzierung von der Politik nicht gezogen.
Nicht aus den Augen verlieren sollte man die Entwicklungen auf Ebene des europäischen Gesundheitsrechts. Nach einer Entscheidung des Gerichtshofes der europäischen Gemeinschaften (EuGH) im Jahr 2021 zum „partiellen Zugang“ zur Ausübung der Zahnheilkunde scheinen die Vorgaben der Europäischen Berufsanerkennungsrichtlinie und des Zahnheilkundegesetzes, wonach es ausschließlich umfassend und wissenschaftlich ausgebildeten Zahnmedizinern mit Approbation erlaubt ist, die Zahnheilkunde am Menschen auszuüben, nicht in Stein gemeißelt. Umso wichtiger ist es, den Gesetzgeber immer wieder daran zu erinnern, dass das Ausbildungs- und Berufsrecht der Heilberufe nach den europäischen Verträgen in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegt. Das gilt für alle Regelungen des Berufszugangs, also auch für die Approbationsordnung.