Unternehmen Zahnarztpraxis
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Unternehmen Zahnarztpraxis – Teil 5: Betriebsübergang bei Praxisübernahme

Wer eine Zahnarztpraxis erfolgreich führen will, braucht mehr als nur zahnmedizinisches Fachwissen. Fast genauso wichtig ist betriebswirtschaftliches Know-how. Das BZB beleuchtet in der Serie „Unternehmen Zahnarztpraxis“ die wichtigsten betriebswirtschaftlichen Aspekte, auf die es bei der Gründung und Führung einer Praxis ankommt. Im fünften Teil geht es um den Betriebsübergang bei einer Praxisübernahme. Der folgende Beitrag von Rechtsanwalt Thomas Kroth basiert auf einem Vortrag für das „Kursprogramm Betriebswirtschaft“ der eazf.

Der Kauf einer bestehenden Praxis hat oftmals entscheidende Vorteile gegenüber einer Praxisneugründung. Wer direkt in einen laufenden Betrieb einsteigt, kann vielleicht einen Großteil des bestehenden Patientenstammes an sich binden und Geräte, Einrichtungen und Materialien in der Regel zu günstigen Konditionen übernehmen. Auch die Übernahme einer in den Praxisablauf eingearbeiteten und bei den Patienten bekannten zahnmedizinischen Fachkraft oder eines angestellten Zahnarztes ist wichtig. Für bestehende Arbeitsverhältnisse müssen jedoch die gesetzlichen Bestimmungen beachtet werden.

Thomas Kroth ist Rechtsanwalt und Inhaber
einer Kanzlei in München. Er gehört dem
Expertenkreis der eazf an und referiert
regelmäßig zu arbeitsrechtlichen Fragestellungen
in Zahnarztpraxen.
© privat

Sowohl für den Veräußerer als auch für den Erwerber spielen bei der Übernahme von Praxispersonal § 613a BGB und die damit verbundenen rechtlichen Verpflichtungen eine entscheidende Rolle (siehe Kasten auf Seite 40). Ein Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB liegt immer dann vor, wenn ein neuer Inhaber durch Rechtsgeschäft, also zum Beispiel durch Kauf-, aber auch durch Schenkungsvertrag, den ursprünglichen Betrieb mit allen wesentlichen materiellen und immateriellen Betriebsmitteln übernimmt und innerhalb der bisherigen Praxisräume die bestehende (fach)zahnärztliche Ausrichtung fortführt. Zu den wesentlichen Betriebsmitteln zählen die vorhandenen medizinischen und technischen Einrichtungen, zum Beispiel die Röntgenanlage, die Behandlungseinheiten sowie die vorhandenen Patientenunterlagen (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.2.2000, Az.: 3 Sa 1896/99). Ein Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB liegt nicht vor, wenn lediglich ein bestehender Mietvertrag weitergeführt beziehungsweise übertragen wird (zum Beispiel die Neugründung einer KFO-Praxis in den gemieteten Praxisräumen einer bisher allgemeinen Zahnarztpraxis). Hier werden im Wesentlichen nur der eventuell noch günstige und noch länger laufende Mietvertrag sowie ein Standortvorteil übernommen.

Folgen des Betriebsübergangs

Als Konsequenz des Betriebsübergangs geht das Arbeitsverhältnis, so wie es bei dem Veräußerer und früheren Betriebsinhaber bestanden hat, mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber über. Diese Regelung gilt auch für ruhende Arbeitsverhältnisse (zum Beispiel von Mitarbeitenden in Elternzeit) oder für Arbeitnehmer, die Arbeit ohne einen schriftlichen Arbeitsvertrag leisten. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist entgegen einer weitverbreiteten Ansicht keine Voraussetzung für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Auch alle arbeitsrechtlichen Zusagen (zum Beispiel Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt, Urlaubsgeld etc.) sowie die Dauer der Betriebszugehörigkeit und eine damit verbundene verlängerte Kündigungsfrist für den Arbeitgeber nach § 622 BGB gehen auf den Erwerber über. Ausbildungsverhältnisse gehen ebenfalls vollständig auf den Erwerber über.

Ein aktueller Hinweis: Das übergegangene Arbeitsverhältnis ist kein neues Arbeitsverhältnis im Sinne von § 20a Abs. 3 IfSG (Infektionsschutzgesetz). Dies bedeutet, dass die übernommenen und eventuell ungeimpften Mitarbeiter ab dem 15. März 2022 in der Praxis bis zu einem möglichen Verbot durch das Gesundheitsamt weiter tätig sein können. Neueinstellungen sind ab dem 16. März 2022 nicht möglich, wenn die neu zu beschäftigende Person keinen entsprechenden Nachweis vorlegt. Somit besteht ein gesetzliches Beschäftigungs- beziehungsweise Tätigkeitsverbot. Diese Personen dürfen dann nicht in der Zahnarztpraxis beschäftigt werden.

Kein Ausschluss im Kaufvertrag

Der gesetzliche Übergang des Arbeitsverhältnisses kann zulasten des Arbeitnehmers auch nicht im Kaufvertrag zwischen Veräußerer und Erwerber ausgeschlossen werden. Ebenso unzulässig ist es, den Arbeitnehmer anlässlich des Betriebsübergangs zu einer Eigenkündigung des alten Arbeitsverhältnisses zu veranlassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn mit demselben Arbeitnehmer ein neuer Arbeitsvertrag zu schlechteren Konditionen abgeschlossen wird.

Der Erwerber sollte sich daher vor Abschluss des Praxiskaufvertrages alle Arbeitsverträge nebst sämtlichen Ergänzungen zeigen lassen. Ratsam wäre auch eine bindende Erklärung des Veräußerers, ob und gegebenenfalls welche mündlichen Absprachen bestehen oder im Sinne einer betrieblichen Übung (zum Beispiel eine bestimmte Anzahl von zusätzlichen Urlaubstagen) „gelebt“ und damit zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses wurden. Sogar die konkrete zeitliche Festlegung von Urlaub durch den Veräußerer, wie dies oft bei Praxisferien üblich ist, ist für den Erwerber zunächst rechtlich bindend.

Unzulässige Kündigungen vermeiden

Der Gesetzgeber stellt klar, dass jede Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen oder im inhaltlichen Zusammenhang mit der Praxisveräußerung – sei es nun im Vorfeld des Betriebsüberganges durch den Veräußerer oder nach dem Betriebsübergang durch den Erwerber – unwirksam ist. Der Arbeitnehmer kann sich gegen eine solche Kündigung beim Arbeitsgericht mit erheblichen negativen Kostenfolgen für den kündigenden Arbeitgeber erfolgreich verteidigen. Unwirksam ist auch eine Kündigung, um den geplanten Verkauf der Praxis vorzubereiten oder zu ermöglichen – selbst dann, wenn die Verkaufspläne später doch nicht realisiert werden. Ebenso unwirksam wäre eine betriebsbedingte Kündigung des Veräußerers mit der Begründung, der Erwerber wolle einen bestimmten Arbeitnehmer nicht übernehmen.

Ist ein Personalabbau erforderlich?

Falsch ist jedoch die Ansicht, der Erwerber und neue Betriebsinhaber könne innerhalb eines Jahres das Arbeitsverhältnis gar nicht kündigen. Sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber können nach dem insofern unmissverständlichen Gesetzeswortlaut das Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen beenden. Dies gilt zum Beispiel dann, wenn aus betrieblichen Gründen ein Personalabbau erforderlich ist. Hierfür muss jedoch unabhängig von den möglichen Barrieren des Kündigungsschutzgesetzes (sechs Monate Betriebszugehörigkeit, mehr als zehn Mitarbeiter) ein sachlicher Grund vorliegen, der eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt und der nicht in der Betriebsveräußerung beziehungsweise dem Betriebserwerb selbst liegt.

Wichtig: Ausbildungsverhältnisse gehen ebenso wie alle anderen Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber über und können unabhängig vom Praxisverkauf nach Ablauf der Probezeit nur fristlos, jedoch nie ordentlich gekündigt werden.

Juristischen Rat einholen

Es empfiehlt sich, rechtzeitig vor einer geplanten Veräußerung oder dem Erwerb einer Zahnarztpraxis einen im Arbeitsrecht versierten Rechtsanwalt um Rat zu fragen, um die mit dem gesetzlichen Übergang der Arbeitsverhältnisse zusammenhängenden Probleme abzuklären und rechtlich zulässige Kündigungen auszusprechen.

Rechtsanwalt Thomas Kroth
München

§ 613A BGB – RECHTE UND PFLICHTEN BEI BETRIEBSÜBERGANG

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.
(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.
(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.
(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.
(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über: 1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, 2. den Grund für den Übergang, 3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und 4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

KURSPROGRAMM BETRIEBSWIRTSCHAFT

Um Zahnärzte bei unternehmerischen Herausforderungen zu unterstützen, hat die eazf ein betriebswirtschaftliches Kursangebot für Assistenten, Angestellte und Praxisinhaber zusammengestellt, das speziell auf die Anforderungen des Unternehmens Zahnarztpraxis zugeschnitten wurde. Das Programm wird von der Bayerischen Landeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns im Rahmen ihrer Kooperation gemeinsam getragen. Das BZB berichtet in diesem Jahr über thematisch ausgewählte Vorträge einzelner Referenten und veröffentlicht im Rahmen der Serie „Unternehmen Zahnarztpraxis“ die wichtigsten betriebswirtschaftlichen Tipps für Zahnarztpraxen. Weitere

Informationen zum Kursangebot finden Sie auf der Website der eazf:
www.eazf.de/sites/zahnarzte-bwl-curricula

HILFE FÜR EXISTENZGRÜNDER: DER BERATUNGSSERVICE DES ZEP

Das Zentrum für Existenzgründer und Praxisberatung der Bayerischen Landeszahnärztekammer (ZEP) bietet niederlassungswilligen Zahnärztinnen und Zahnärzten in Bayern kostenfrei eine unabhängige und individuelle Erstberatung an.

Terminvereinbarung unter folgenden Kontaktdaten:
Zentrum für Existenzgründer und Praxisberatung der BLZK (ZEP)
Telefon: 089 230211-412, Fax: 089 23021-488
E-Mail: zep@blzk.de

Weitere Informationen finden Sie auf der Website der BLZK:
www.blzk.de/zep