Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Schriftsteller Kurt Tucholsky war in vielen Dingen hellsichtig seiner Zeit voraus. Das ist eine Eigenschaft, die er mit dem amtierenden Bundesminister für Gesundheit schon einmal nicht gemeinsam hat. Karl Lauterbach, früher interessanterweise CDU-Mitglied, jetzt lukrativerweise bei der SPD, schaut gerne zurück und beschäftigt sich lieber mit althergebrachten Themen wie der Warnung vor der 738. Coronavirus-Variante oder dem Althippie-Dauerbrenner Legalisierung harter (Kokain) und weicher (Marihuana/Mary Jane) Drogen.
In der „klassischen“ Gesundheitspolitik allerdings fehlt dem stets etwas zerfahren und entrückt wirkenden Minister die nötige Stimulanz. Hier beschränkt er sich in bester Politikermanier auf das, was schon in der Vergangenheit nicht funktioniert hat, und richtet unverdrossen und umfassend Verwirrung und Verheerung an. Im ländlichen Raum sollen die Wege ins Krankenhaus weit und weiter werden, und in der Zahnmedizin drohen durch die seit Januar 2023 geltende strikte Budgetierung jahrzehntelange Erfolge in der Parodontitisbehandlung der Bevölkerung sozusagen den Lauterbach runterzugehen.
Jetzt fehlt bundesweit pro Jahr etwa eine Milliarde Euro für die 2021 eingeführten neuen PAR-Leistungen. Es sei denn, die Krankenkassen stellen individuell eine ausreichende Gesamtvergütung bereit.
Die allermeisten Krankenkassen waren in Bayern guten Willens – nur die AOK versucht, mithilfe des Lauterbachschen Budgetsargdeckels knallhart Kasse zu machen. Auf Kosten der bayerischen Patienten und der bayerischen Zahnärzte! Demnächst wird man sich deshalb beim Schiedsamt treffen.
Damit sind wir wieder bei Kurt Tucholsky und seinem 1930 veröffentlichten Gedicht von der „Ortskrankenkasse“. Die Allgemeine Ortskrankenkasse Bayern, vulgo AOK, gibt 27,4 Prozent mehr für ihre Verwaltung aus als für zahnärztliche Behandlung (ohne ZE), und sie gönnt sich für die Vorsitzende des Vorstands eine 8,4-prozentige Gehaltserhöhung auf 284.531 Euro. Dazu kommen noch mildtätige 77.335 Euro für die Altersversorgung (alle Zahlen aus 2022). Gespart wird offensichtlich nur bei Patienten und Zahnärzten.
Bleibt Folgendes festzuhalten:
- Dem Bundesgesundheitsminister Lauterbach wurde am 8. September in Berlin eindrucksvoll von Zahnärzten, Ärzten und Fachpersonal die Rote Karte gezeigt.
- Wir haben noch ausreichend Rote Karten übrig – und Öffentlichkeit und Patienten werden es merken, wenn wir sie den Verantwortlichen der AOK Bayern zeigen.
- Die BLZK wird die KZVB in jeder Weise unterstützen, damit die finanzielle Borniertheit der bayerischen Ortskrankenkasse nicht zulasten der Kolleginnen und Kollegen geht.
- Das letzte Wort hat der – wirklich hellsichtige – Kurt Tucholsky:
„Stets sitzt auf jedem Unternehmen – neben jenen, die andern das Brot wegnehmen – ein Ballon der Verwaltung, dick und breit, eine Allegorie der Nutzlosigkeit.“
„Verdienen tut der, der verwalten kann: der ist für die Wirtschaft der richtige Mann.“
Mit herzlichen kollegialen Grüßen
Ihr
Dr. Dr. Frank Wohl
Präsident der Bayerischen
Landeszahnärztekammer
*Auszug aus dem Gedicht „Die Ortskrankenkasse“. Es wurde von Kurt Tucholsky am 3. Juni 1930 unter dem Pseudonym Theobald Tiger in der Berliner Wochenzeitschrift „Die Welt- bühne“ veröffentlicht (Nr. 23, S. 833). Tucholsky wurde 1895 in Berlin geboren und starb 1935 im schwedischen Exil.