Voll besetzter Saal: Über 1 000 Teilnehmer nahmen am wissenschaftlichen Programm des Zahnärztetages teil.

Streifzug durch Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Der 64. Bayerische Zahnärztetag war erneut ein großer Erfolg

Moderne, praxisrelevante Zahnmedizin und der kollegiale Austausch vor Ort – das sind die Markenzeichen des Bayerischen Zahnärztetages. Auch der 64. Bayerische Zahnärztetag vom 19. bis 21. Oktober wurde seinen hohen Ansprüchen mehr als gerecht. Über 1 000 Zahnärztinnen und Zahnärzte erlebten ein Wochenende voller Wissen.

Beim Festakt sprechen zwei Staatsminister

BLZK-Präsident Dr. Dr. Frank Wohl hielt beim
offiziellen Festakt die Begrüßungsrede.

Am Donnerstag, 19. Oktober, fand mit dem Festakt die feierliche Eröffnung statt. Traditionell gab sich hier auch die bayerische Politik die Ehre. Mit dem stellvertretenden Bayerischen Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger sowie Ulrike Scharf, amtierende Staatsministerin für Gesundheit und Pflege, sprachen in diesem Jahr erneut zwei Minister Grußworte. Spontan erschien zusätzlich Klaus Holetschek, neuer Fraktionsvorsitzender der CSU im Landtag und deshalb nicht mehr als Gesundheitsminister im Amt, um sich von „seinen Zahnärzten“ zu verabschieden – eine Geste, die großen Anklang fand.

Dr. Rüdiger Schott, Vorsitzender des Vorstands
der KZVB, mahnte von der Bundespolitik die
Rücknahme der Budgetierung an.

Moderiert wurde der Abend von Prof. Dr. Johannes Einwag, Fortbildungsreferent der BLZK und Wissenschaftlicher Leiter des Bayerischen Zahnärztetages. Er erinnerte sich an seinen ersten Zahnärztetag vor 40 Jahren und reflektierte die enormen Veränderungen, die innerhalb der Zahnmedizin in dieser Zeit stattgefunden haben. Das zeige auch das Motto des diesjährigen Zahnärztetages: „Der kleine (große) Unterschied. Patientenindividuelle Planung und Therapie“. Einwag hielt fest, dass die Zahnmedizin sich heute mit Fragen beschäftige, „die vor 40 Jahren allenfalls ein Kopfschütteln ausgelöst hätten“. Und er fragte angesichts dieses Wissens weiter: „Was bringen Standardtherapien und wann müssen wir individuell, ganz personalisiert therapieren? Vom Kleinkind bis zu den Senioren, vom Otto-Normalverbraucher-Patienten bis zu den vulnerablen Gruppen in all ihren unterschiedlichen Facetten.“

Schweigeminute für Opfer in Israel

Im Anschluss eröffnete BLZK-Präsident Dr. Dr. Frank Wohl den Zahnärztetag mit Worten der Besinnung und einer Schweigeminute für die Opfer des Überfalles der Hamas auf Israel, für die sich alle Teilnehmer erhoben. Nach seiner Begrüßung der Anwesenden aus Politik sowie nationaler und internationaler Standespolitik und der Mitglieder des Gesundheitswesens nahm auch Wohl Bezug auf das Motto des diesjährigen Zahnärztetages. Er hielt in diesem Zusammenhang fest, dass 55 Prozent der bayerischen Bevölkerung im ländlichen Raum leben, und konstatierte: „Wir bayerischen Zahnärzte sorgen dafür, dass Spitzenmedizin – State of the Art – nicht nur in den großen Metropolen, sondern auch im ländlichen Raum in Bayern stattfindet.“ Allerdings sah er die Versorgung dieser Patienten durch die aktuelle Berliner Politik akut gefährdet.

Flächendeckende Versorgung in Bayern muss gesichert bleiben

BLZK-Präsident Dr. Dr. Frank Wohl, stellvertre-
tender Bayerischer Ministerpräsident Hubert
Aiwanger, Dr. Barbara Mattner, Vizepräsidentin
der BLZK, und Dr. Rüdiger Schott, Vorsitzen-
der des Vorstands der KZVB, beim Festakt zum
Bayerischen Zahnärztetag (v. l.).

Die Versorgung der Bevölkerung sah auch der stellvertretende Bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger in Gefahr. „Es geht darum, die flächendeckende Versorgung aufrechtzuerhalten und den Versorgungsauftrag sicherzustellen. Wir müssen das Grundvertrauen der Patienten in die Ärzteschaft sichern. Wir müssen diese Ärzte aber auch in die Lage versetzen, diese Aufgabe weiterhin zu erfüllen – deshalb ein klares Bekenntnis zu einer leistungsgerechten Bezahlung. Budgetierung ist hier fehl am Platz.“ Ohne Verbesserungen der Bedingungen sei es schwierig, junge Ärzte und Zahnärzte nicht ans Ausland zu verlieren. Eine gute Honorierung sei aber auch wichtig, um für das Praxispersonal eine gute Bezahlung leisten zu können. Das medizinische Niveau in Bayern auf höchstem Niveau zu halten, müsse weiterhin das Ziel sein. Aiwanger dankte den bayerischen Zahnärztinnen und Zahnärzten ausdrücklich dafür, dass sie diese wertvolle Aufgabe übernehmen.

„Wiedereinführung der Budgetierung hat ganzen Berufsstand schockiert“

Dr. Rüdiger Schott, Vorsitzender des Vorstands der KZVB, prangerte ebenfalls die Berliner Politik an, die die ambulante Versorgung akut gefährde. „Die Wiedereinführung der Budgetierung hat den ganzen Berufsstand schockiert, demotiviert und frustriert.“ Ein solches Handeln zerstöre das Vertrauen in die Politik. Dabei gehörten die Zahnärzte nicht zu den Kostentreibern im Gesundheitssystem. Der Anteil an den GKV-Ausgaben sei kontinuierlich gesunken und „nirgendwo anders als in der Zahnmedizin findet die Politik ein besseres System für Prävention und Einsparungen von Kosten“. Deshalb gehe es in der aktuellen gesundheitspolitischen Diskussion nicht um das Einkommen von Ärzten, Zahnärzten oder Apothekern, sondern um die Zukunft der ambulanten Versorgung. Schott zählte eine Vielzahl von Themen auf, die die Zahnärzteschaft bewegten, beispielsweise fehlenden Nachwuchs aufgrund unsicherer Perspektiven, sich zunehmend ausbreitende iMVZ, das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz oder den „Geldfresser“ Telematik-Infrastruktur.

Gemeinsamer Protesttag der Heilberufe als Signal

BZÄK-Präsident Prof. Christoph Benz hob in seinem Grußwort den gemeinsamen Protest der Ärzte- und Zahnärzteschaft zusammen mit dem Verband medizinischer Fachberufe als außergewöhnliche Aktion hervor. Beim Protesttag der Heilberufe Anfang September in Berlin, an dem auch Klaus Holetschek als bayerischer Gesundheitsminister teilnahm, habe sich gezeigt, dass man gemeinsam bessere Bedingungen fordern könne. Dieser Protest sei ein „wunderschönes Signal“ gewesen. Denn es gehe um die Stärkung der ambulanten Versorgung. Die Ärzte und Zahnärzte spürten die Inflation und Kostensteigerungen ebenso wie die Krankenhäuser. „Wir wollen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmöglich bezahlen. Das ist unser ganz großer Wunsch. Wir wollen qualitativ hochwertige Teams. Und das geht nur mit Geld, und es geht nur, wenn wir dieses Geld auch vorher verdienen“, so Benz. Zugleich rief er die Kolleginnen und Kollegen dazu auf, „das Privileg zu genießen, dass wir eines der einfachsten Start-ups tatsächlich umsetzen können“ und gegen den Trend zur Anstellung zu kämpfen und für die Niederlassung einzutreten.

Am Ende des Festaktes überreichte BLZK-
Präsident Dr. Dr. Frank Wohl Blumen an die
amtierende bayerische Gesundheitsministerin
Ulrike Scharf (l.) und an die 125-fache Fußball-
nationalspielerin und Trainerin Martina Voss-
Tecklenburg nach deren Festvortrag.

Entbürokratisierung muss vorangetrieben werden

Bayerns amtierende Gesundheitsministerin Ulrike Scharf forderte von der Bundesregierung verlässliche Rahmenbedingungen für Zahnärztinnen und Zahnärzte. „Zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger ist eine hochwertige und wohnortnahe medizinische Versorgung unabdingbar. Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass die Niederlassung attraktiv bleibt. Jeder Praxisbetrieb ist auf eine ausreichende Vergütung angewiesen. Die Bundesregierung darf die ambulanten Leistungserbringer nicht vergessen.“ Ergänzend erklärte die Ministerin: „Auch die Entbürokratisierung muss die Bundesregierung entschieden vorantreiben. Wir können es uns in Zeiten drohenden Ärztemangels schlicht nicht mehr leisten, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte so viel Zeit mit bürokratischen Hürden verbringen. Bürokratie kostet Zeit, Geld und Nerven.“

Ebenso erneuerte Scharf die Kritik Bayerns am GKV-Finanzstabilisierungsgesetz des Bundes und forderte zum Thema GOZ: „Eine Reform ist längst überfällig! Es braucht dringend eine grundlegende Überarbeitung der Gebührenordnung für Zahnärztinnen und Zahnärzte. Seit fast 35 Jahren wurde der Punktwert nicht mehr angepasst. Das ist weder wirtschaftlich noch entspricht es dem aktuellen wissenschaftlichen Stand.“ Beim Thema Digitalisierung sah die Ministerin generell ein Potenzial zur bürokratischen Entlastung, allerdings seien die Prozesse derzeit noch immer zu häufig fehlerbehaftet.

Beim anschließenden Festvortrag begeisterte die 125-fache Fußballnationalspielerin und Trainerin Martina Voss-Tecklenburg die Zahnärztinnen und Zahnärzte zum Thema „Formen, um zu performen – Mein Change Management im Frauenfußball“.

Personalisierte Zahnmedizin in Breite und Tiefe

Zwischen den Referaten nutzten viele Teilneh-
mende die Gelegenheit zum Besuch der Dental-
ausstellung.

Der wissenschaftliche Kongress der Zahnärzte unter dem Leitmotiv „Der kleine (große) Unterschied – Patientenindividuelle Planung und Therapie“ fand am 20. und 21. Oktober statt. Wie Prof. Dr. Johannes Einwag am Abend vorher bereits in seiner Anmoderation betonte, setze sich die Erkenntnis, wie unterschiedlich Männer und Frauen bei Diagnostik, Therapie und Prävention reagieren können, auch in der Zahnmedizin immer mehr durch. Diese Bandbreite verdeutlichten die Referate am Freitag und am Samstag.

15 Spitzenreferenten befassten sich zum Beispiel mit „Männerschnupfen und anderen tödlichen Erkrankungen“, Gender Marketing, allgemeinmedizinischen Herausforderungen oder dem Einsatz von künstlicher Intelligenz. Auch die Abweichungen zwischen „Frau Patientin“ und „Herr Patient“ bei Zahnerhaltung, Prothetik und Parodontologie standen auf dem Programm. Weitere Punkte: die Telematik-Infrastruktur (TI), Datenschutz und Qualitätssicherungsverfahren sowie die Folgen der Spargesetze der Politik. Eine Aktualisierung der Röntgenfachkunde für Zahnärzte war wieder möglich.

Spielräume kennen und nutzen

Beim gut besuchten Kongress Zahnärztliches
Personal am Freitag ging es ebenfalls um den
„kleinen (großen) Unterschied“ in der Zahn-
arztpraxis.

Beim Kongress für das Praxisteam stand ebenfalls „Der kleine (große) Unterschied“ im Fokus. Diese Fortbildung dauerte einen Tag und wurde am Freitag, 20. Oktober, angeboten. Die fünf Referate durchstreiften „Andere Länder – andere Sitten!“ und machten eine „Tour de Parodontologie“. Sie widmeten sich dem Gender Marketing, der Abrechnung mit Köpfchen und dem Notfallmanagement.

Parallel zum Kongressprogramm verlieh die BLZK in diesem Jahr erneut Urkunden an die erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen der Aufstiegsfortbildungen Zahnmedizinische Prophylaxeassistenz (ZMP), Dentalhygiene (DH) und Zahnmedizinische Verwaltungsassistenz (ZMV). Die besten Abschlüsse wurden zudem mit dem Meisterpreis der Bayerischen Staatsregierung ausgezeichnet. Stellvertretend für das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege war Ministerialdirigentin Gabriele Hörl bei der Preisverleihung vor Ort, ebenso wie Dr. Barbara Mattner, Vizepräsidentin der BLZK. Ein ausführlicher Bericht zur Preisverleihung folgt in der Dezemberausgabe des BZB.

„Prof. Dieter Schlegel Wissenschaftspreis“ mit vier Preisträgern

Für herausragende zahnmedizinische Dissertationen an bayerischen Hochschulen vergibt der Verein zur Förderung der wissenschaftlichen Zahnheilkunde in Bayern (VFwZ) jedes Jahr den „Prof. Dieter Schlegel Wissenschaftspreis“ – 2023 erneut im Rahmen des zahnärztlichen Kongresses. Dieses Jahr wurden vier Preisträger geehrt, die an der Ludwig-Maximilians-Universität München und an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg dissertiert hatten.

Redaktion

FOTOS UND BERICHTE IM NETZ
Weitere Fotos von der Eröffnung des 64. Bayerischen Zahnärztetages und den beiden anschließenden Fortbildungstagen finden Sie auf der Website der BLZK:
www.blzk.de/blzk/site.nsf/id/pa_bayerischer_zahnaerztetag_2023.html

Ausführliche Beiträge über den wissenschaftlichen Kongress für Zahnärzte und den Kongress für das Praxispersonal lesen Sie in der nächsten Ausgabe des BZB und ab 15. Dezember im Internet:
www.bzb-online.de