Seit vielen Jahren ein erfolgreiches Team im Auftrag der Mundgesundheit: Dr. Brigitte Hermann und der Zahnlöwe Dentulus.
Foto: Katharina Kapfer

„So erreichen wir alle“

Interview mit der LAGZ-Vorsitzenden Dr. Brigitte Hermann

Die bayerische Zentralveranstaltung zum „Tag der Zahngesundheit“ ist längst eine feste Größe im Veranstaltungskalender der Bayerischen Landesarbeitsgemeinschaft für Zahngesundheit (LAGZ). Unter dem Motto „Gesund beginnt im Mund – in Kita und Schule“ wurde in diesem Jahr nicht nur das 30-jährige Jubiläum des Kinderfestes nachgefeiert. Der gleichlautende Slogan stellte die Gruppenprophylaxe für Kinder und Jugendliche schlechthin in den Mittelpunkt. Gute Gründe für eine Retrospektive und einen Ausblick. Ein Gespräch mit der engagierten Zahnärztin und ersten Vorsitzenden der LAGZ in Bayern, Dr. Brigitte Hermann.

Nach pandemiebedingten Absagen konnten Sie den „Tag der Zahngesundheit“ endlich wieder als großes Kinderfest feiern. War’s schön?

Hermann: Ja, sehr. Das Kinderfest war seit der ersten Veranstaltung 1991 in Landshut schon immer ein wichtiger Termin für die LAGZ. Dort können wir mit Spiel und Spaß Kindern verschiedener Altersgruppen wichtiges Wissen zur Mundgesundheit vermitteln, weil die Kitas und Grundschulen am Veranstaltungsort das Angebot in der Regel gerne annehmen und die Kinder mit Bussen hinfahren.BZB: Der „Tag der Zahngesundheit“ hatte in diesem Jahr den klassischen Leitsatz „Gesund beginnt im Mund“ um den Zusatz „in Kita und Schule“ ergänzt. Eine Doppelfeier für die Gruppenprophylaxe sozusagen.

Der „Tag der Zahngesundheit“ hatte in diesem Jahr den klassischen Leitsatz „Gesund beginnt im Mund“ um den Zusatz „in Kita und Schule“ ergänzt. Eine Doppelfeier für die Gruppenprophylaxe sozusagen.

Gewissermaßen. Nächstes Jahr haben wir als LAGZ 40-jähriges Jubiläum. Natürlich können wir da auf viele Erfolge zurückblicken. Wichtiger ist mir allerdings das Bewusstsein, dass wir uns nicht darauf ausruhen dürfen. Im Gegenteil, es gibt so viele neue Herausforderungen: die Zunahme der frühkindlichen Karies, MIH, Kariespolarisation bei Kindern und Jugendlichen aus schwierigen sozioökonomischen Verhältnissen sowie Folgen der Pandemie und der Flüchtlings- und Migrationswellen. Ich befürchte, dass wir da unser hohes Niveau nicht halten können.

Was bedeutet das?

Bereits vier Jahre nach der ersten epidemiologischen Studie 1989 verbesserte sich der Anteil der sechsjährigen Kinder mit einem naturgesunden Gebiss von 31 auf 48 Prozent. Die Folgeuntersuchungen wiesen eine stetige Verbesserung auf, bis auf ein sehr hohes Level. Danach waren die Sprünge kleiner, bis 2016 ging es auf 61 Prozent. Bei den 12-Jährigen lag der Wert in Bayern bei 72 Prozent. Allein schon, um hier mit der Gruppenprophylaxe den Standard halten zu können, bedarf es immer wieder neuer Strategien. Ich denke da an die Kreidezähne, gegen deren Entstehung es derzeit keine präventive Maßnahme gibt, oder an das Phänomen der Kariespolarisation. Zwei Prozent der Kinder haben 50 Prozent der festgestellten Karies. Viele Kinder haben zwar keine Karies, dafür haben wenige sehr viel. Dagegen müssen wir vorgehen.

Was kann die Gruppenprophylaxe hier bewirken?

Zunächst einmal: In der Kita und in der Schule erreichen wir alle Kinder, auch die aus den sogenannten vulnerablen Gruppen. Das sind Kinder, in deren Familien Zahngesundheit keinen hohen Stellenwert einnimmt und die nur behandlungsorientiert zum Zahnarzt gehen, also dann, wenn sie Schmerzen haben. Wie heißt es so treffend in der Pressemitteilung zum „Tag der Zahngesundheit“: „Die zahnmedizinische Gruppenprophylaxe ist das reichweitenstärkste Präventions- und Gesundheitsförderungsangebot für Kinder und Jugendliche in Deutschland.“ Außerdem spielt uns die Gruppendynamik in die Karten: In der Gemeinschaft mit anderen Kindern essen die Kinder bereitwillig gesunde Nahrungsmittel und haben auch richtig Spaß beim Zähneputzen.

Wie wirkt sich der gesellschaftliche Wandel auf den Erfolg der Gruppenprophylaxe aus?

Uns kommt es im Grunde entgegen, dass die Kinder heutzutage im Wachzustand oft mehr Zeit in der Kita oder Schule verbringen als zu Hause. Die klassische Prägung, also das Anlegen bestimmter Verhaltensmuster oder Rituale, wird teilweise in die Einrichtungen ausgelagert. Das macht es leichter, eine gesundheitliche Chancengleichheit herzustellen. Deshalb ist es uns auch so wichtig, die Erzieherinnen und Erzieher, die Lehrerinnen und Lehrer und auch die Einrichtungsleitungen als Multiplikatoren einzubinden.

Trotzdem sind doch auch die Eltern noch gefordert.

Ja, die erreichen wir zum Beispiel im Eingangsbereich der Kitas, wo sie die Kinder abholen. Wenn möglich, sprechen wir sie hier als LAGZ-Zahnärzte bei unserem Besuch in der Kita persönlich an. Da mittlerweile viele Familien Migrationshintergrund haben, bieten wir außerdem Informationsmaterial in mehreren Sprachen an. Und dann gibt es ja noch die sehr erfolgreichen Aktionsprogramme „Seelöwe“ und „Löwenzahn“. Hier verweisen wir Kinder mit Aufkleber- oder Stempelkarten von der Gruppen- zur Individualprophylaxe in die Zahnarztpraxis. Im Idealfall gehen sie mit ihren Eltern zweimal im Jahr zum Zahnarzt.

Apropos Aktionsprogramme – welchen Anteil haben die Aktions-Maskottchen Dentulus und Goldie am
Erfolg der LAGZ?

Ohne die Maskottchen wäre die LAGZ nicht, was sie heute ist. Der freche Löwe und das scheue Seelöwen-Mädchen kommen bei den Kindern seit Jahrzehnten sehr gut an. Teilweise erinnern sich Erzieherinnen und Erzieher noch an den Löwen oder den Seelöwen und daran, was sie von ihnen gelernt haben. Nämlich jede Menge rund um die vier Säulen der Zahngesundheit.

Glauben Sie, dass die Initiative auch das Bewusstsein für die Bedeutung der Mundgesundheit nachhaltig geschärft hat?

Auf jeden Fall ist das ein zentrales Anliegen. Wir möchten die Eigenverantwortung der Kinder für die eigene Gesundheit fördern und ein Bewusstsein für die Wertigkeit gesunder Zähne schaffen. Deshalb ist es ja auch so ein tolles Gefühl, wenn man als LAGZ-Zahnarzt erfährt, wie die Kinder das Gelernte von der Kita bis zur Grundschule verinnerlichen.

Was begeistert Sie generell an der Aufgabe als LAGZ-Zahnärztin?

„Es ist beeindruckend, wenn man sieht, mit welcher Begeisterung die Kinder das Thema Mundgesundheit förmlich aufsaugen. Oder voller Stolz die LAGZ-Zahnputzutensilien in die Höhe halten. Ich finde den Einsatz als Mundgesundheits-Botschafterin in Schulen und Kitas einfach sehr bereichernd. Und man bekommt ein ganz anderes Feedback als in der Praxis, weil sich Kinder in der Gruppe auch über kleine Dinge riesig freuen.

Wie kamen Sie eigentlich zur LAGZ?

Hermann: Ich habe nach dem Studium in München an der dortigen LMU-Poliklinik für Zahnerhaltung „Abteilung für Kinder- und Behindertenbehandlung“ – so hieß das damals – gearbeitet. Nach der Eröffnung meiner Praxis in Hohenkammer sind noch einige meiner damaligen Patienten zu mir gekommen, aber ich wollte noch mehr für Kinder tun. So habe ich mich bei der LAGZ beworben.

Seit 2016 sind Sie erste Vorsitzende der LAGZ. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?

Man braucht manchmal schon Geduld von einem anderen Stern. Und ein dickes Fell. Wenn die Werte gut sind, lässt man die LAGZ auf der rosa Wolke schweben. Wenn nicht, gibt es entsprechend negative Pressemeldungen und die Vorgabe, man müsse sich neue Strategien überlegen. So sind wir immer darum bemüht, uns kontinuierlich dem Wandel anzupassen. Aber es ist fast so wie bei der neunköpfigen Hydra: Hast du einen Kopf abgeschlagen, kommt schon wieder ein neues Problem dazu.

Wie zum Beispiel die Pandemie?

Die Pandemie hat uns die Arbeit tatsächlich sehr schwergemacht, weil wir einfach in keine Einrichtung mehr hineingekommen sind. Unsere Aktionsprogramme liefen zum Glück trotzdem gut weiter. Wir haben die Zeit meines Erachtens gut genutzt, indem wir unsere Angebote digitalisiert haben. Auch unsere beiden Filme, das Roadmovie mit Dentulus und der Erklärfilm mit Goldie, fanden durchwegs positive Resonanz. Trotzdem geht nichts über den persönlichen Kontakt und man merkt ganz deutlich, dass Schulen und Kitas nach zwei Jahren Pandemie in einer Art Aufbruchsstimmung sind und alle sich unheimlich freuen, wenn wir wiederkommen.

Was war in all den Jahren als LAGZ-Botschafterin Ihr persönliches Highlight?

Als frischgebackene LAGZ-Zahnärztin bin ich anfangs beim Rektor der Grundschule in Hohenkammer mit meinem Anliegen schwer abgeblitzt. Aber ich blieb hartnäckig. Das hat letztlich dazu geführt, dass der besagte Rektor praktisch vom Saulus zum Paulus mutierte. Beim Aktionsprogramm Löwenzahn gewann die Schule dank seiner Initiative sieben Mal hintereinander einen Hauptpreis, außerdem komponierte er ein Zahnputzlied und trat mit seiner Band beim 20-jährigen LAGZ-Jubiläum auf. Das hat mir eines ganz deutlich gemacht: Egal, wie groß der Widerstand ist, man darf als LAGZ-Zahnärztin oder -Zahnarzt nie aufgeben.

Vielen Dank für das Gespräch mit Ihnen.

Das Interview führte Katharina Kapfer, Pressereferentin der LAGZ.