Selbstverwaltung ist ein hohes Gut

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die bayerischen Zahnärztinnen und Zahnärzte sind in diesem Jahr gleich zweimal aufgerufen, ihre Stimmen abzugeben: Ende Juni beginnt die Wahlfrist für die Vertreterversammlung der KZVB, im Herbst werden die Mitglieder der Vollversammlung der BLZK und die Vertreter in den Zahnärztlichen Bezirksverbänden gewählt. Nur wenige Berufsgruppen haben das Privileg, ihre Geschicke selbst zu gestalten. Deshalb lautet mein Appell gleich zu Beginn dieses Editorials: Bitte machen Sie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch! Die Selbstverwaltung ist ein hohes Gut. Sie lebt aber davon, dass die Mitglieder der Körperschaften ihre Vertreter demokratisch legitimieren. Je höher die Wahlbeteiligung ist, desto wirksamer können die Gewählten Ihre Interessen gegenüber der Politik und den Krankenkassen vertreten. Und die standespolitische Agenda ist lang!

Internationale Investoren haben die Zahnmedizin als lukratives Betätigungsfeld entdeckt. Die Zahl fremdkapitalfinanzierter Medizinischer Versorgungszentren wächst – insbesondere in den städtischen Ballungsräumen. Gleichzeitig geht die Zahl der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen zurück. Viele Praxisabgeber tun sich mittlerweile schwer, einen Nachfolger zu finden. Um die flächendeckende, wohnortnahe Versorgung zu erhalten, müssen KZVB und BLZK den jungen Kollegen Mut zur Niederlassung machen. Es braucht aber auch die entsprechenden Rahmenbedingungen, damit die Selbstständigkeit attraktiv bleibt. Dazu gehören angemessene Vergütungen, Rechts- und Planungssicherheit und vor allem: weniger Bürokratie! Gerade die gesetzlich verordnete Digitalisierung unseres Gesundheitswesens sorgt für wachsenden Frust in den Praxen. Eine störungsanfällige Telematik-Infrastruktur (TI), Sanktionen bei Nichtanbindung, ungeklärte Fragen beim Datenschutz – all das trägt nicht zur Akzeptanz neuer Technologien bei. Es steht außer Frage, dass wir eine stärkere Vernetzung im Gesundheitswesen brauchen. Als überzeugter Liberaler vermisse ich aber eine gesamtgesellschaftliche Diskussion darüber, wer auf welche Daten zugreifen kann und wo sie gespeichert werden.

Doch ungeachtet vieler Probleme steht für mich außer Frage, dass Zahnarzt ein sehr attraktiver Beruf ist und bleibt – gerade dann, wenn man ihn selbstbestimmt und freiberuflich ausübt. Das zeigt auch der ungebrochene Ansturm auf die Studienplätze im Fach Zahnmedizin.

Und die Selbstverwaltung konnte in den vergangenen Jahren durchaus Erfolge erzielen. Die KZVB hat mit den Krankenkassen gut verhandelt. Die Honorarzuwächse liegen über der Inflationsrate. Die neue PAR-Richtlinie und die Aufnahme der Unterkieferprotrusionsschiene in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung bieten den Praxen neue wirt-schaftliche Perspektiven und verbessern die Patientenversorgung. Auch die Corona-Pandemie hatte auf die Zahnärzteschaft deutlich geringere Auswirkungen als auf andere Berufsgruppen. Das Abrechnungsvolumen liegt mittlerweile wieder über dem Vorkrisenniveau. Wir Zahnärzte haben die Krise aus eigener Kraft und ohne staatliche Liquiditätshilfen bewältigt. Darauf dürfen wir stolz sein. Ich bin zuversichtlich, dass der Berufsstand auch die künftigen Herausforderungen wie die längst überfällige Anpassung der GOZ-Punktwerte bewältigen wird und der freiberuflich tätige Zahnarzt nicht zum Auslaufmodell wird – auch und gerade dank einer starken Selbstverwaltung.

Ihr

Dr. Wolfgang Heubisch, MdL

Vizepräsident des Bayerischen Landtags