Selbstverwaltung hat Geschichte und Zukunft!

Liebe Zahnärztinnen und Zahnärzte,

in seinem Editorial für das BZB 6/2022 hat Dr. Wolfgang Heubisch, ehemaliger Vizepräsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer und amtierender Vizepräsident des Bayerischen Landtages, eindrucksvoll dargelegt, wie gut die zahnärztliche Selbstverwaltung die jüngsten Krisen und He-rausforderungen gemeistert hat. Diese Erfolge kann ich nur bestätigen und möchte sie in diesem Beitrag anhand der Historie untermauern. Trotz modernster Forschungsansätze können wir die Zukunft nicht vorhersehen, sodass unverändert das Credo gilt: „Aus der Geschichte lernen, um die Zukunft zu gestalten.“

Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts zeichneten sich die Berufe des Rechtsanwaltes, des Arztes und des Apothekers durch ihre besondere Staatsnähe aus, die mit einer intensiven staatlichen Beaufsichtigung einherging. Erst mit dem Aufkommen des Liberalismus bildete sich ein eigenes Standesbewusstsein aus. So gelang es, sich aus der Umklammerung des Staates zu lösen und aufgrund der eigenen Unabhängigkeit zugleich in der Bevölkerung ein erhöhtes Vertrauen zu erlangen. Nach dem Vorbild der Handelskammern wurden alle notwendigen Regelungen und wichtige Verwaltungsaufgaben wie die Berufszulassung und die Berufsaufsicht auf die hierfür gebildeten Rechtsanwalts- und Ärztekammern übertragen.

Heute ist – zumindest in Deutschland und Österreich – das Konzept der Selbstverwaltung als freiberufliches Organisationsprinzip untrennbar mit dem Gedanken der Freiberuflichkeit verbunden. Denn innerhalb Europas wurde das weitestgehende Modell der Selbstverwaltung umgesetzt: Die Kammern der Freien Berufe sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Alle Berufsangehörigen sind von Gesetzes wegen Mitglieder der Körperschaft, der wiederum wichtige Aufgaben wie zum Beispiel die Berufszulassung und die Berufsaufsicht vom Staat übertragen wurden. Die Kammern verfügen also über die Befugnis, Satzungsrecht zu verabschieden, und können somit für alle Berufsangehörigen im Rahmen der gesetzlichen Kompetenzübertragungen verbindliche Rechtsnormen setzen. Das Verwaltungsorgan der Körperschaft wird durch eine Wahl aus Mitgliedern der Körperschaft gebildet. Wie der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss festgestellt hat, erfreut sich das Kammermodell unverminderter Beliebtheit und wird weiterhin auf andere Berufsgruppen angewendet. Seine Einrichtung hat sich nicht nur für die Berufsangehörigen, sondern auch für Patienten, Kunden und Klienten als vorteilhaft erwiesen. Man kann also mit Fug und Recht behaupten: Selbstverwaltung hat Zukunft!

Entscheidend ist und bleibt, dass die übertragenen Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden. Denn ohne diese Befugnisse ist die Selbstverwaltung auf eine reine Interessensvertretung reduziert. Darüber hinaus müssen die Kammern alle Mitglieder repräsentieren, also beispielsweise auch angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte. Entscheidend für die Zukunft wird sein, wie die Selbstverwaltungsträger ihre Aufgaben wahrnehmen, also ob sie sich zum Beispiel der Digitalisierung stellen.

Und last, but not least: Die Zukunft der Selbstverwaltung wird letztlich davon bestimmt, dass sich ehrenamtliche Entscheidungsträger in ihren Gremien engagieren und sich die Berufsangehörigen an den Wahlen zu ihrer Berufsvertretung beteiligen. Damit schließt sich der Kreis: Denn wie ihre Geschichte liegt auch die Zukunft der Selbstverwaltung in den Händen der in ihr organisierten Freien Berufe.

Ihr

Sven Tschoepe

Hauptgeschäftsführer der Bayerischen Landeszahnärztekammer