Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wenn man das Klima beurteilen will, sollte man nicht zuerst aufs Wetter schauen. Das klingt zunächst paradox, aber tatsächlich sind einzelne Extremwetterlagen noch kein Indiz für dauerhafte Veränderungen. Die Meteorologen brauchen Langzeitdaten, um verlässliche Prognosen erstellen zu können. Ähnlich verhält es sich mit der Gesundheitspolitik. Aktuell herrscht definitiv „Sturm“ in unseren Praxen. Die Empörung über das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hält weiter an. Allerdings gelingt es uns bislang kaum, unsere berechtigten Forderungen in die Öffentlichkeit zu tragen. Über den Protesttag der Heilberufe am Brandenburger Tor wurde außerhalb der Standespresse so gut wie nicht berichtet. Der „deutsche Michel“ verharrt zumindest mit Blick auf den stillen Infarkt seines Gesundheitswesens im Schlaf der Gerechten. Offensichtlich ist der Leidensdruck trotz langer Wartezeiten und Leistungseinschränkungen noch nicht groß genug.
In diesem BZB berichten wir aber auch über das, was noch auf uns zukommen könnte – womit wir beim Klima wären. Denn SPD, Grüne und Linkspartei sind fest entschlossen, unser Gesundheitssystem fundamental umzubauen. Das duale System von privater und gesetzlicher Krankenversicherung ist weiterhin akut gefährdet. Die SPD setzt auf den Vorschlaghammer mit Abschaffung der PKV, die Grünen wollen den Zugang so massiv verteuern, dass das Geschäftsmodell PKV uninteressant wird. Einzig der viel gescholtenen FDP ist es zu verdanken, dass das Thema Bürgerversicherung derzeit nicht auf der bundespolitischen Agenda steht. Niemand weiß, ob die zerrüttete Ampelkoalition bis 2025 durchhält. In aktuellen Umfragen hat das Dreierbündnis jedenfalls keine Mehrheit mehr. Doch was kommt danach? Der Rechtsruck, der vor allem durch Migrationsbewegungen ausgelöst wurde, führt allmählich zu einem Zustand der Unregierbarkeit. Populisten schlagen daraus gnadenlos politisches Kapital. Das Klima im Land wird rauer, ideologische Gräben werden tiefer. Das linke Lager verweist im Zusammenhang mit der Bürgerversicherung regelmäßig auf die hohe Zustimmung in der Bevölkerung. Man kann von einem Durchschnittsbürger nicht erwarten, dass er die Auswirkungen einer Abschaffung der PKV auf Finanzierung unseres Gesundheitswesens realisiert.
Gleichheit und Gerechtigkeit – mit diesen Schlagworten kann man deshalb durchaus punkten. Doch wir Zahnärzte müssen der Politik und der Bevölkerung immer wieder klarmachen, dass eine Zusammenführung des Bema und der GOZ in eine Einheitsgebührenordnung verheerende Folgen für das Niveau der zahnmedizinischen Versorgung in unserem Land haben könnte. Gleichheit kann am Ende nämlich auch bedeuten: „Gleich schlecht für alle!“ Wir haben im BZB immer wieder vor britischen Verhältnissen im deutschen Gesundheitswesen gewarnt. Aktuell sind wir auf dem Weg dorthin. Die Bürgerversicherung wäre der letzte Schritt in Richtung Staatsmedizin. So weit dürfen wir es nicht kommen lassen!
Ihr
Dr. Rüdiger Schott
Vorsitzender des Vorstands der KZVB