Rund 150 Zahnärzte folgten der Einladung der KZVB-Bezirksstellen München und Oberbayern in den Walther-Straub-Hörsaal des Institutes für Rechtsmedizin der LMU.

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Zahnärzte können häusliche Gewalt erkennen und dokumentieren

„Neues aus der Rechtsmedizin“ – das war der Titel einer Fortbildungsveranstaltung, zu der die KZVB-Bezirksstellen München und Oberbayern Ende November eingeladen hatten. Rund 150 Kolleginnen und Kollegen nutzten die Gelegenheit, noch einmal die harten Bänke im Walther-Straub-Hörsaal der LMU zu drücken.

Dr. Heinz Tichy, Vorsitzender der Bezirksstelle Oberbayern, betonte in seiner Begrüßung, dass die Zahnmedizin Teil der Medizin sei: „Wir kümmern uns nicht nur um 32 Zähne, wir sind für den gesamten menschlichen Organismus mitverantwortlich. Eine unbehandelte Parodontitis kann schwerwiegende Folgen haben. Umso trauriger ist es, dass der Gesetzgeber die Mittel für eine zeitgemäße PAR-Therapie budgetiert hat.“

Institutsleiter Prof. Dr. Matthias Graw ging auf die Nebenwirkungen von Ultracain ein.

Prof. Dr. Matthias Graw, der Leiter der Münchner Rechtsmedizin, ging in seinem Vortrag auf die Nebenwirkungen von Medikamenten ein. Rechtsmediziner hätten mehrere Fälle untersucht, in denen Ultracain möglicherweise die Fahrtüchtigkeit der Patienten beeinträchtigt habe. Es kam zu Unfällen. Sein Fazit: Solche Nebenwirkungen seien zwar äußerst selten, dennoch dürften Patienten drei Stunden nach einer Lokalanästhesie nicht ans Steuer. Diese Aussage führte erwartungsgemäß zu intensiven Diskussionen. Doch relativ schnell wurde klar, dass der Zahnarzt den Patienten lediglich in geeigneter Form aufklären muss. Die Überwachung des temporären „Fahrverbotes“ falle nicht in seine Zuständigkeit.

Prof. Dr. Elisabeth Mützel appellierte an die Teilnehmer, bei ihren Patienten auf Spuren von Vernachlässigung und häuslicher Gewalt zu achten.

Prof. Dr. Elisabeth Mützel, die Leiterin der Bayerischen Kinderschutzambulanz, beschäftigte sich mit dem wichtigen Thema „Erkennen und Dokumentieren von häuslicher Gewalt“. Die Zahnärzte könnten dabei eine wichtige Rolle spielen. Sie zeigte die verschiedenen Formen von Gewalt mit Bildern, die unter die Haut gingen. Auch auf die juristischen Aspekte ging Mützel ein. Bei einer Kindeswohlgefährdung gelte die ärztliche Schweigepflicht nicht. Bereits ein subjektiver Verdacht reiche aus, um das Jugendamt oder die Polizei einzuschalten. Erwachsene müssten dagegen von sich aus die Bereitschaft signalisieren, gegen einen Täter vorzugehen. Entscheidend für den Erfolg einer Strafanzeige sei die rechtzeitige und rechtssichere Dokumentation von Verletzungen. Das Institut für Rechtsmedizin hat hierfür einen Dokumentationsbogen entwickelt, der auch auf kzvb.de als Download zur Verfügung steht. Wichtig für den Kampf gegen häusliche Gewalt sei auch die Vernetzung der Akteure im Gesundheitswesen. „Nehmen Sie Kontakt zu den Kinderkliniken und Kinderärzten in ihrer Umgebung auf, lassen Sie sich von der Schweigepflicht entbinden und sprechen Sie mit dem Hausarzt des Opfers“, so Mützel. Auch auf das Thema Vernachlässigung ging die Referentin ein. Eine überdurchschnittlich hohe Kariesinzidenz bei Kindern sei ein wichtiges Indiz hierfür. Das Fazit: Die Fortbildung im Institut für Rechtsmedizin brachte tatsächlich neue Erkenntnisse und sensibilisierte die Teilnehmer dafür, ihre ethische Verantwortung als Mediziner wahrzunehmen.

Organisatoren und Referenten freuten sich über eine gelungene Fortbildung (v. l.): Dr. Florian Kinner, Dr. Michael Gleau, Prof. Dr. Elisabeth Mützel, Prof. Dr. Matthias Graw, Dr. Andrea Albert und Dr. Heinz Tichy.

Leo Hofmeier


UNTERSUCHUNGSBOGEN „FORENSISCHE ZAHNMEDIZIN“
Die KZVB stellt auf kzvb.de einen Untersuchungsbogen „Forensische Zahnmedizin“ zum Download zur Verfügung. Dieser wurde zusammen mit dem Institut für Rechtsmedizin der Universität München entwickelt und erleichtert die Befunderhebung.