Die neuen Präsidenten der BLZK im Interview mit dem BZB – Teil 1
Am 3. Dezember 2022 haben sie die Amtsgeschäfte bei der Bayerischen Landeszahnärztekammer übernommen: Dr. Dr. Frank Wohl, der neue Präsident, und Dr. Barbara Mattner, die neue Vizepräsidentin der Berufsvertretung der bayerischen Zahnärzte. 100 Tage nach ihrer Wahl ziehen sie im BZB eine erste Zwischenbilanz. Lesen Sie im ersten Teil unseres Doppelinterviews, wo die beiden Standespolitiker thematische Schwerpunkte in ihrer vierjährigen Amtszeit setzen wollen, welche Maßnahmen sie für eine angemessene Honorierung zahnärztlicher Leistungen planen und wie sie das Fachkräfteproblem der Zahnarztpraxen angehen möchten.
Herr Dr. Dr. Wohl und Frau Dr. Mattner, Sie sind seit 100 Tagen im Amt. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?
Wohl: Meine Zwischenbilanz fällt uneingeschränkt positiv aus. Die Anfangstage waren von verschiedensten, breit gefächerten Aufgaben und natürlich vielen Terminen geprägt: Schon drei Tage nach der Wahl habe ich an der ersten Vorstandssitzung der Bundeszahnärztekammer teilgenommen. Dazu gab es Gespräche mit Abgeordneten, Bürgermeistern und Landräten, zusätzlich mehrmals in der Woche Videoschaltungen mit den neuen Vorstandsmitgliedern und vieles mehr.
Darüber hinaus haben wir unsere Referate und unseren GOZ-Senat neu besetzt – und auch bereits einen ersten wichtigen Beschluss gefasst (siehe Seite 34). Dabei freue ich mich ganz besonders, dass wir die Ankündigung wahrgemacht haben, mit sechs Kolleginnen und Kollegen aus dem FVDZ auch Vertreter der „Opposition“ in die Referatsarbeit mit einzubeziehen. Gerade bei den Referaten geht es um Sacharbeit – und Sacharbeit ist ein hervorragender Weg, um Brücken zu bauen. Außerdem ist es uns gelungen, bei der Referatsbesetzung über 20 Prozent der Aufwandsentschädigungen einzusparen. Dafür bedanke ich mich bei allen Beteiligten ganz herzlich!
Mattner: Am Anfang muss man sich natürlich erst einmal organisieren und sortieren. Vor allem geht es um Termine, um sich bei den Kollegen und den einzelnen Gremien vorzustellen. Man führt Gespräche mit möglichst allen Vorständen, die Aufgaben übernehmen sollen. Von Zwischenbilanz kann man nach so kurzer Zeit eigentlich gar nicht sprechen. Selbstverständlich haben wir uns von Anfang an um die Themen GOZ und Fachkräftemangel gekümmert. Das sind die wichtigsten Schwerpunkte, die wir uns für die nächsten vier Jahre auf die Fahne geschrieben haben. Da gerät schon etwas in Bewegung, es wurden beispielsweise bereits Gespräche im Kultusministerium geführt. Und ansonsten: Termine, Termine, Termine! Die muss ich mit meinen verschiedenen anderen Aufgaben unter einen Hut bekommen: Neben meinem Amt als Vizepräsidentin betreue ich für die LAGZ einige Schulen, behandle in der Justizvollzugsanstalt und bin in einer Augsburger Praxis angestellt. Mein Hauptanliegen ist dennoch, meine ganze Kraft und Leidenschaft zum Wohle der bayerischen Zahnärzteschaft einzusetzen.
Bei der Konstituierenden Vollversammlung der BLZK haben Sie, Herr Dr. Dr. Wohl, angekündigt, aktiv gestalten zu wollen. Welche Schwerpunkte wollen Sie in den nächsten vier Jahren setzen?
Wohl: Die beiden Schwerpunkte drängen sich förmlich auf: Es geht zum einen um die Honorierungssituation und zum anderen um den immer dramatischer werdenden Fachkräftemangel. Wir haben teilweise zweistellige Inflationsraten, wie wir sie seit den Nachkriegsjahren nicht mehr kannten. Auf der anderen Seite steht die Gebührenordnung für Zahnärzte, die seit 35 Jahren nicht mehr angepasst worden ist. Das führt dazu, dass die Praxen immer stärker unter wirtschaftlichen Druck geraten. Gleichzeitig nimmt die Bürokratiebelastung zu und wir stehen im Wettbewerb mit anderen Branchen um rarer werdende Arbeitskräfte.
Sie haben es selbst angesprochen: Seit 1988 warten die Zahnärzte auf eine Anpassung ihrer Gebührenordnung. Daran haben selbst die hohen Inflationsraten der letzten Monate nichts geändert. Wo werden Sie hier den Hebel ansetzen?
Wohl: Wir müssen davon ausgehen, dass es mittelfristig keine Änderung der GOZ geben wird. Erst am 8. Dezember 2022 hat die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage klipp und klar erklärt, dass eine Anpassung des GOZ-Punktwertes derzeit nicht vorgesehen sei. Das bedeutet: Wir müssen uns selbst helfen. Dafür bietet die GOZ durchaus Handlungsspielräume. Mit dem § 2 besteht die Möglichkeit, freie Vereinbarungen oberhalb des 3,5-fachen Faktors zu treffen. Und gemäß § 6 können Zahnärzte Leistungen, die in der GOZ nicht definiert sind, analog abrechnen. Diesen Weg müssen und werden wir gehen.
In Ihrer Antrittsrede haben Sie, Herr Dr. Dr. Wohl, einen Maßnahmenkatalog zur Honorierung zahnärztlicher Leistungen in Aussicht gestellt. Können Sie unseren Leserinnen und Lesern schon Details nennen?
Wohl: Der 3,5-fache Faktor war in der Vergangenheit eine fast unüberwindbare Hürde, die aber jetzt – auch angesichts der galoppierenden Inflation – nicht mehr gelten darf. Wir haben mittlerweile zahlreiche Bema-Leistungen, die nicht nur besser als der 2,3-fache Faktor, sondern sogar höher als der 3,5-fache Faktor bewertet werden. Und dann wird es völlig absurd! Somit bleibt uns gar nichts anderes übrig, als freie Vereinbarungen mit den Patienten zu treffen.
Zu diesem Punkt gibt es im Übrigen auch entsprechende Urteile des Bundesverfassungsgerichtes. Die Verfassungsrichter haben bestätigt, dass den Zahnärzten diese Möglichkeit offensteht, wenn der Gesetzgeber den Punktwert der GOZ nicht anhebt. Wir werden diesen Weg natürlich durch intensive Öffentlichkeitsarbeit nach innen und außen begleiten. Wir werden die Zahnärzte schulen und ihnen Argumentationshilfen an die Hand geben. Und wir werden nach außen hin gegenüber Medien und Politik klarmachen, warum wir so handeln müssen. Das wird kein leichter Weg sein, aber wir müssen ihn gehen und wir werden ihn gehen, weil wir mit dem Rücken zur Wand stehen!
Trotz anhaltend hoher Ausbildungszahlen suchen viele Zahnarztpraxen vergeblich nach Fachkräften. Haben Sie, Frau Dr. Mattner, eine Erklärung dafür, warum sich viele Zahnmedizinische Fachangestellte letzten Endes gegen ihren Ausbildungsberuf entscheiden?
Mattner: Ganz oft liegt es meines Erachtens daran, dass die Wertschätzung für das Personal fehlt. Außerdem dürfen Auszubildende häufig nicht die Verantwortung übernehmen, die sie sich selbst zutrauen, und werden zu wenig gefordert und gefördert. Wichtig ist, dass man sich als Chef und als Ausbilder selbst um die Ausbildung kümmert und sie nicht der Ersthelferin oder der fertigen Mitarbeiterin überlässt. Denn wenn man nur das Berichtsheft unterschreibt, kann man auch nicht erwarten, dass die ZFA am Ende in der Praxis bleibt, wenn sie in einem Labor zum Beispiel deutlich höheres Ansehen genießt und dazu auch noch mehr Geld verdienen kann. Geld ist für die allermeisten aber nicht der Hauptgrund, den Ausbildungsberuf zu verlassen – die anderen Gründe sind mindestens genauso wichtig. Leider werden Azubis oft nur als billige Arbeitskräfte gesehen.
Sie waren zu Beginn Ihrer Karriere selbst als Zahnarzthelferin tätig, später haben Sie Ihre eigene Praxis geführt. Wie kann es Inhabern von Zahnarztpraxen gelingen, das Assistenzpersonal längerfristig zu binden?
Mattner: Wichtig sind vor allem mehr Wertschätzung und mehr Verantwortung. Auch wäre es schön, wenn Praxisinhaber ihre Mitarbeiter anderweitig unterstützen würden – zum Beispiel, indem sie sich um Hilfsangebote für Zahnmedizinische Fachangestellte mit Migrationshintergrund kümmern, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben, anstatt sie nur „den Steri“ machen zu lassen. Die Arbeit muss Spaß machen – vom ersten Tag an.
Viele Ausbilder wissen gar nicht, was ihre Zahnmedizinischen Fachangestellten wirklich können, wenn sie mit der Ausbildung fertig sind. Ich persönlich hatte als Ersthelferin ein Wahnsinnsleben – und durfte alles machen: Ich habe mich um die Buchhaltung gekümmert, hatte Einsicht in die Konten und durfte selbstständig die Prophylaxe durchführen. Das hat den Spaß an der Arbeit gebracht! Außerdem hat mein Chef immer wieder zu mir gesagt: „Was würde ich nur ohne Sie machen!“ Da müssen wir hinkommen, dass die Mitarbeiter das Gefühl haben, gebraucht zu werden. Wer sich nicht gebraucht fühlt, hat keine Motivation sich zu engagieren und sucht seine Erfüllung woanders. Das ist ganz normal. Mein Rat, das habe ich übrigens selbst auch erst später gelernt: Stellen wir uns doch ab und an auf die andere Seite und überlegen wir, ob wir mit uns als Chef oder Chefin zufrieden wären.
Seit Jahren warnen Standespolitiker vor den Gefahren einer Kommerzialisierung des Gesundheitswesens, etwa in Form von investorengeführten Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ). Wie stehen Sie dazu und was muss die Politik tun, um diese Entwicklung einzudämmen?
Wohl: Die investorengeführten MVZ sind eine besondere Form unter den Medizinischen Versorgungszentren. Hinter ihnen stehen Investorenketten, Hedgefonds – also jene, die der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering einst als „Heuschrecken“ bezeichnet hat. Diese international aufgestellten Kapitalgesellschaften wollen Rendite um jeden Preis. Das führt dazu, dass in iMVZ häufig eine Überversorgung stattfindet und – vorsichtig ausgedrückt – Abrechnungsoptimierung der unschönsten Sorte.
Was besonders ärgerlich ist: Eine Studie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster belegt, dass Gewinne in hohem Maße in sogenannte Steueroasen verschoben und dort zu lächerlichen Sätzen versteuert werden. Es kann und darf nicht sein, dass deutsche Krankenversicherungsbeiträge beispielsweise auf die Kanalinseln fließen. In einer der nächsten Ausgaben wird das BZB die Studie übrigens näher vorstellen und ausführlicher über das Thema berichten.
Die Fragen stellten Christian Henßel und Thomas A. Seehuber.