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Rechtssicher dokumentieren und aufklären

Was Zahnarztpraxen beachten sollten

Die Begriffe „Dokumentation“ und „Aufklärung“ führen immer wieder zu Fragen, weil man sich oft über Inhalte und Umfang unsicher ist. Dabei ist der Aufwand für Zahnarztpraxen in aller Regel überschaubar, wenn man die rechtlichen Anforderungen kennt. Dieser Beitrag soll darstellen, was wesentlich ist. Es lohnt sich, sich mit dieser Thematik einmal intensiver auseinanderzusetzen, da sie ein ständiger Begleiter im Praxisalltag ist. Wer sich aber einmal ein Konzept zurechtgelegt hat, kann entspannt und hinsichtlich des erforderlichen Aufwandes effektiv arbeiten.

Dokumentation

Die medizinische Dokumentation gehört zu den Pflichten, die Zahnärztinnen und Zahnärzte erfüllen müssen. Hier gibt es immer wieder Unsicherheiten, welche Inhalte und Fakten in der Patientenkartei einzutragen sind. Die grundlegenden Kenntnisse sind für jeden Zahnarzt von Bedeutung, damit er weiß, worauf ein Gutachter in einem möglichen Rechtsstreit bei seiner Beurteilung zurückgreift, wenn er sein Gutachten erstellt. Daher soll der Umfang der erforderlichen medizinischen Dokumentation im Folgenden erläutert werden.

Die medizinische Dokumentationspflicht umfasst die für den Behandlungsablauf wesentlichen medizinischen Fakten. Sie soll den Leser, sei es nun der Behandler selbst oder ein Nachbehandler, in die Lage versetzen, den bisherigen Krankheitsverlauf zu erfassen. Wenn eine Dokumentation aus medizinischen Gründen nicht geboten ist, ist sie auch aus Rechtsgründen nicht gefordert. Allerdings gelten Leistungen, die nicht dokumentiert sind, in der Regel als nicht erbracht.

An diesen Grundsätzen orientiert sich der Sachverständige vor Gericht. Viele Krankenakten bestehen jedoch nur aus Abrechnungsziffern. Das erfüllt nicht die Kriterien einer medizinischen Dokumentation. Es genügt somit nicht, beispielsweise nur „ViPr“ einzutragen, ohne den erhobenen Befund festzuhalten. Gleiches gilt, wenn in der Kartei nur die Diagnose CMD vermerkt ist, jedoch keine Befunde. Grundsätzlich gilt also, dass alle relevanten Befunde zu dokumentieren sind.

In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung der Dokumentation der durchgeführten Untersuchung inklusive Befund hervorzuheben: Wird nämlich eine Untersuchung nicht dokumentiert, obwohl sie für die Therapieplanung von Bedeutung ist, steht ein sogenannter Befunderhebungsfehler im Raum. Dieser liegt vor, wenn die medizinisch gebotene, aber unterlassene Befunderhebung geeignet gewesen wäre, die Gesundheitsstörung zu erkennen, und es nicht völlig unwahrscheinlich war, dass die gebotene Therapie erfolgreich gewesen wäre. Wird ein solcher Befunderhebungsfehler festgestellt, kann das Gericht eine Beweislastumkehr festlegen. Somit muss der Behandler beweisen, dass die Komplikation auch eingetreten wäre, wenn er die nicht dokumentierte Untersuchung durchgeführt hätte. Dies gelingt in den meisten Fällen nicht.

Als Beispiel ist eine nicht durchgeführte Röntgendiagnostik bei Trauma zu nennen, wenn dadurch eine Fraktur nicht erkannt und keine Frakturbehandlung durchgeführt wurde und anschließend eine Bruchspaltosteomyelitis aufgetreten ist.

Die Dokumentation kann auf unterschiedliche Weise erfolgen: Im Bereich der Anamnese werden vielfach die wesentlichen Angaben durch Fragebogen erfasst, die gegebenenfalls zu hinterfragen sind. Sie sind durch stichwortartige Aufzeichnungen der Angaben des Patienten zu ergänzen, zum Beispiel zur Art und Dauer von Beschwerden. Untersuchungen und die erhobenen Befunde sind festzuhalten. Dabei können Schemata und die gängigen Abkürzungen benutzt werden, aber auch eigene Kürzel.

Als nächster Schritt ist die Diagnose festzuhalten. Ergibt sich die Diagnose nachvollziehbar aus den Untersuchungen beziehungsweise Befunden, stellt sich aber später heraus, dass die Diagnose falsch war, spricht man von einem Diagnoseirrtum. Dieser kann auch einem sorgfältigen und gewissenhaften Arzt unterlaufen und muss in der Regel gutachterlich gewürdigt werden. Dazu ein Beispiel: Eine Schleimhautveränderung wird unter der Diagnose einer Entzündung drei Wochen lang als solche behandelt, heilt in dieser Zeit aber nicht ab. Die anschließende Gewebeprobe ergibt ein Karzinom. Abzugrenzen hiervon ist die Fehldiagnose, bei der der Behandler aufgrund der Befunde die Erkrankung hätte erkennen müssen.

Aufklärung

Kommt es zu einem Rechtsstreit, weil ein Patient annimmt, dass er falsch behandelt wurde, thematisiert sein Rechtsanwalt neben dem Behandlungsfehlervorwurf oft die Aufklärung. Das hat den Hintergrund, dass jeder zahnärztliche Eingriff zunächst eine Körperverletzung darstellt, die strafbar ist. Die Strafbarkeit entfällt nur dann, wenn der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter rechtswirksam eingewilligt hat. Voraussetzung für die Einwilligung ist die Aufklärung, die der Zahnarzt zu beweisen hat. Die Feststellung der rechtsgültigen Aufklärung und Einwilligung obliegt dem Gericht, das sich diesbezüglich allerdings oft vom Sachverständigen über den erforderlichen Umfang der Aufklärung beraten lässt. Diesbezügliche Detailkenntnisse sind für den Zahnarzt von Bedeutung, wenn er eine rechtssichere Aufklärung durchführen will.

Zunächst sollen einige grundsätzliche Rahmenbedingungen zur Aufklärung angesprochen werden:

• Die Aufklärung soll den Patienten in die Lage versetzen, eine sachgemäße Entscheidung über die vorgeschlagene Therapie zu treffen (informed consent).

• Die Aufklärung hinsichtlich der Behandlung hat mündlich durch den Zahnarzt zu erfolgen.

• Bestehen (wissenschaftlich gesicherte) unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Risiken, ist darüber aufzuklären.

• Über abwegige, ausgefallene oder wissenschaftlich nicht belegte Methoden muss nicht aufgeklärt werden.

• Medizinisch kontraindizierte (insbesondere invasive) Maßnahmen sind von einer „Einwilligung“ nicht gedeckt.

• Der Umfang der Aufklärung hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie Dringlichkeit, möglichen Komplikationen und Alternativen.

• Über seltene Komplikationen ist nur dann aufzuklären, wenn sie für den Laien unerwartet und für seine Lebensführung gravierend sind (BGH-Urteil vom 06.07.2010; Az.: VI ZR 198/09). Hier sind die Gerichte teils unterschiedlicher Auffassung und es kommt im Einzelfall auf die Argumentation an.

• Erfolgte die Aufklärung zu einem früheren Zeitpunkt, ist eine erneute Aufklärung nur bei einer Änderung der Gefahrenlage erforderlich. Auch hier kommt es auf die Darlegung der Parteien an, mit der sie das Gericht zu überzeugen haben.

• Schließlich sind die Detailumstände der Aufklärung, die Einsichtsfähigkeit bei Jugendlichen zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr und weitere Details zu berücksichtigen.

Vor Gericht kommt es regelmäßig zu unterschiedlichen Angaben der Parteien, worüber im Aufklärungsgespräch gesprochen wurde. Hier befragt das Gericht die Parteien und bildet sich ein Urteil darüber, was glaubhaft ist.

Der BGH hat zur Aufklärung eine Vielzahl von Urteilen erlassen (Az.: VI ZR 125/13, VI ZR 143/13, VI ZR 15/83, VI ZR 174/82 und VI ZR 48/99).

In seinen Urteilen gibt der BGH differenzierte Hinweise, wie die Aufklärung zu erfassen und zu beurteilen ist. Die Lektüre lohnt sich durchaus, wenngleich auch diese Texte eine Interpretation zum besseren Verständnis benötigen. Vereinfacht lässt sich sagen: Das Aufklärungsgespräch muss in einer für den Patienten verständlichen Weise eine realistische Vorstellung von der Schwere des Eingriffes und den spezifischen Risiken beinhalten. Anerkannte Alternativen sind aufzuführen, insbesondere wenn sie mit unterschiedlichen Risiken verbunden sind.

Allerdings schränkt der BGH die Aufklärungspflicht auch insoweit ein, dass an die Nachweispflicht hinsichtlich der Aufklärung keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen:

• „Besteht einiger Anhalt dafür, dass die Aufklärung sachgemäß erfolgte, so kann von einer ordnungsgemäßen Aufklärung ausgegangen werden.“ Eine überzogene Aufklärung ist nicht zu fordern.

• Dem Gericht ist bewusst, dass Patienten sich an den genauen Inhalt des Gespräches teils nicht mehr erinnern.

• Entscheidend ist das ärztliche Aufklärungsgespräch. Vor Gericht ist dieses darzulegen. Ein Aufklärungsbogen mit Aufzeichnungen liefert Anhaltspunkte für die Aufklärung.

PROF. DR. DR. EBERHARD
FISCHER-BRANDIES
Referent Gutachterwesen der BLZK

Die Dokumentation der Aufklärung ist also unumgänglich. Stichworte, auch Abkürzungen, die zutreffende Aussage „Darüber kläre ich immer auf“, Zeugenaussagen et cetera sind hilfreich.

In der Regel muss der Behandler die Aufklärung beweisen. Lässt sich dieser Beweis zum Beispiel wegen mangelnder Dokumentation nicht führen, kann sich der Behandler unter Umständen über die „hypothetische Einwilligung“ entlasten. Von einer hypothetischen Einwilligung ist dann auszugehen, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass ein vernünftiger Patient bei korrekter Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätte.