Patientenwohl muss im Mittelpunkt stehen

Liebe bayerische Zahnärztinnen und Zahnärzte,

die zahnärztliche ambulante Versorgung ist eine wichtige Säule unseres Gesundheitssystems. Sie, die bayerischen Zahnärztinnen und Zahnärzte, haben gemeinsam mit Ihren Praxisteams Ihre Leistungsfähigkeit auch während der Corona-Pandemie eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Auch unter schwierigsten Bedingungen haben sie die Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten mit großem Einsatz sichergestellt. Dafür ein herzliches „Vergelt’s Gott“!

Das Patientenwohl muss auch weiterhin im Mittelpunkt zahnärztlichen Handelns stehen. Deshalb treibt mich die Sorge vor einem ungebremsten und unumkehrbaren Wachstum investorengetragener Medizinischer Versorgungszentren (iMVZ) um.

Wir sehen, dass die äußerst dynamische Entwicklung bei der Zahl der iMVZ vor den Zahnärzten nicht Halt macht: Von 2015 bis Anfang dieses Jahres ist nach Angaben der KZVB die Zahl zahnärztlicher MVZ in Bayern von 87 auf 230 gewachsen – ein Plus von mehr als 250 Prozent. Viele davon sind iMVZ.

Dabei ist klar: MVZ können grundsätzlich einen wichtigen Beitrag zur Versorgung leisten. Sie können gerade für den zahnärztlichen Nachwuchs attraktive Einstiegsmöglichkeiten in den Beruf bieten, vom wirtschaftlichen Risiko einer Praxisgründung und von bürokratischen Anforderungen entlasten.

Unser Ziel muss daher sein, dass MVZ dem Erhalt der flächendeckenden ärztlichen Versorgung nutzen. Doch dort, wo nicht mehr der Patient, sondern die Rendite im Fokus steht, können MVZ die Versorgungssicherheit auch gefährden. So kann eine flächendeckende Versorgung bedroht sein, wenn Investoren Versorgungskapazitäten tendenziell in lukrative Ballungsräume verlagern. Zudem ist zu befürchten, dass nicht mehr das gesamte Behandlungsspektrum abgebildet wird, sondern ein Fokus auf gut skalierbare, umsatzsteigernde Leistungen gelegt wird. Auch die informierte freie Zahnarztwahl könnte auf lange Sicht eingeschränkt sein, weil unterschiedliche Zahnarztpraxen de facto für denselben Konzern wirtschaften. Zuletzt kann auch die Integrität medizinischer Entscheidungen infrage gestellt sein, nämlich dann, wenn Investoren ein größeres Interesse an hohen Gewinnmargen zeigen als an der medizinisch sinnvollsten Behandlungsmethode. Ein aktuelles IGES-Gutachten scheint das zu bestätigen.

Noch ist die Gesamtzahl an MVZ gegenüber der Zahl der Zahnarztpraxen gering, Monopolbildungen sind noch nicht zu beobachten. Doch haben neu gegründete MVZ Bestandsschutz, sodass ein zu langes Abwarten unumkehrbare Tatsachen schafft.

Für mich ist klar: Profit darf nie die treibende Kraft hinter gesundheitlichen Angeboten sein. Ich habe das Bundesgesundheitsministerium deshalb bereits mehrfach eindrücklich gebeten, sich des Themas anzunehmen und so schnell wie möglich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzurichten. Diese Diskussionen sind bundesweit dringlich zu führen, um die künftigen Rahmenbedingungen für investorengetragene MVZ zu klären. Leider ist die Berliner Ampel bisher untätig geblieben. Ich werde bei diesem Thema aber nicht nachlassen – denn einen weiteren Zeitverzug können wir uns nicht leisten.

Ihr

Klaus Holetschek

Bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege