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Mit Feile und Zahnstocher

Wie sich Wikinger bei Zahnschmerzen halfen

Die Wikinger hatten ernsthafte Probleme mit ihrer Mundgesundheit. Karies war unter Erwachsenen sehr verbreitet. Was die Behandlungsmethoden betrifft, zeigten sie sich allerdings erstaunlich erfinderisch. Für die Schmerzbeseitigung wurden Feilen und Zahnstocher benutzt.

Die Umgebung von Varnhem im schwedischen Västergötland ist bekannt für Ausgrabungen und Funde aus dem frühen Mittelalter und der Wikingerzeit. In aufgelassenen Grabstätten entdeckte man beispielsweise auch viele sehr gut erhaltene Skelette und Gebissteile – ein ideales Ausgangsmaterial für Wissenschaftler, um Näheres über die Gewohnheiten und Lebensweisen der ehemaligen „Besitzer“ zu erfahren.

Ein Forscherteam des Institutes für Zahnheilkunde der Universität Göteborg wollte mehr zum Stand der Mundgesundheit der ehemals dort lebenden Wikingerbevölkerung wissen und nahm hierfür 3 293 Zähne von insgesamt 171 Männern, Frauen und Kindern genauer unter die Lupe beziehungsweise unters Mikroskop. Die Zähne wurden bei starkem Licht mit zahnmedizinischen Standardinstrumenten klinisch untersucht. Außerdem wurden auch Röntgenuntersuchungen gemacht.

Bei 49 Prozent der Menschen ließen sich danach eine oder mehrere Kariesläsionen nachweisen. Von den Zähnen der Erwachsenen waren 13 Prozent von Karies betroffen. Im Laufe ihres Lebens verloren sie durchschnittlich sechs Prozent ihrer Zähne. Erstaunlich war, dass die untersuchten Milchzähne von Kindern oder auch Kindergebisse, die teils schon erste Erwachsenenzähne aufwiesen, völlig kariesfrei waren.

Ein gefeiltes Loch von der Zahnkrone bis hinein in die Pulpa sollte Zahnschmerzen lindern und Infektionen verhindern. – Mittig sieht man gefeilte Vorderzähne. Rechts eine Zahnreihe mit deutlichen Anzeichen dafür, dass die Person fleißig mit Zahnstochern gearbeitet hat. © Carolina Bertilsson/Henrik Lund

Den Forschern fielen jedoch auch kuriose Details zur Zahnpflege und zur Behandlung von Karieszähnen auf: Darunter waren beispielsweise Backenzähne mit so tief gefeilten Löchern, dass diese von der Zahnkrone bis ins Zahnmark reichten. Vermutlich sollte auf diese Weise der Druck verringert werden, um die heftigen Zahnschmerzen, die die Infektion ausgelöst hatte, zu lindern. „Es gab mehrere Anzeichen dafür, dass die Wikinger ihre Zähne modifiziert hatten, darunter auch Hinweise auf die Verwendung von Zahnstochern, das Feilen der Vorderzähne und sogar die zahnärztliche Behandlung von infektiösen Zähnen“, erläutert Carolina Bertilsson, Zahnärztin und Erstautorin der Studie. „Die Wikinger schienen sich mit Zähnen auszukennen.“ Die schwedische Studie zeigt demnach auf, dass die Zahnheilkunde in der Wikingerkultur durchaus einen gewissen Stellenwert innehatte und weitaus ausgeklügelter war als angenommen.

Ingrid Scholz