Foto: © Lustre – stock.adobe.com

„Macht Euch selbstständig!“

Dr. Michael Gleau berät den zahnärztlichen Nachwuchs

Am 1. Januar hat der neue Vorstand der KZVB sein Amt angetreten. Mit Wirkung zum 1. Februar wurden auch die Bezirksstellenvorsitzenden und die Referenten neu benannt. Wir stellen Ihnen im BZB die Kolleginnen und Kollegen vor, die sich ehrenamtlich für Sie engagieren. Den Anfang macht Dr. Michael Gleau, Referent für angestellte Zahnärzte, Assistenten und den Nachwuchs.

Dr. Michael Gleau berät als Referent der KZVB angestellte Zahnärzte, Assistenten und den Nachwuchs. Kontakt: dr.m.gleau@kzvb.de

Welche Erfahrungen bringen Sie für Ihr Amt mit?

Gleau: Ich bin seit 1983 Vertragszahnarzt und hatte schon diverse Ämter in der zahnärztlichen Selbstverwaltung inne. Die längste Zeit meines Berufslebens war ich niedergelassener Zahnarzt in eigener Praxis in München Sendling. Nach Erreichen des Rentenalters habe ich meine Praxis in München aufgegeben und arbeite jetzt in der Praxis meines Sohnes und meiner Schwiegertochter mit. In der KZVB war ich 17 Jahre Mitglied der Vertreterversammlung, Mitglied des Finanzausschusses und Referent für die Öffentlichkeitsarbeit. Außerdem war ich Mitglied der Vollversammlung der BLZK sowie des Vorstandes des ZBV München.

Sie sind Jahrgang 1951 – kennen Sie die Probleme, vor denen der zahnärztliche Nachwuchs heute steht?

Gleau: Mein Sohn und meine Schwiegertochter sind wie gesagt ebenfalls Zahnärzte und deshalb weiß ich, dass die „goldenen Zeiten“ der Zahnmedizin vorbei sind. Als ich in den 1980er Jahren den Kredit für die Praxisübernahme aufgenommen habe, fragte mich der Banker, ob ich nicht auch gleich ein Darlehen für den Porsche haben möchte. Diese Zeiten werden nicht wiederkommen. Dennoch bin ich überzeugt, dass Zahnarzt weiterhin ein attraktiver Beruf ist, mit dem man auch gutes Geld verdienen kann. Es kommt aber viel mehr als früher auf die richtigen Entscheidungen an. Wo lasse ich mich nieder? Welche Form der Berufsausübung wähle ich? Welche Behandlungsschwerpunkte will ich anbieten? Diese Fragen muss sich der Nachwuchs stellen und dabei will ich unterstützen.

Aktuell erleben wir einen Konzentrationsprozess in den städtischen Ballungsräumen. Landpraxen tun sich dagegen schwer, einen Nachfolger zu finden. Wie kann die KZVB hier gegensteuern?

Gleau: Diese Entwicklung hat vielfältige Ursachen und wurde durch falsche politische Entscheidungen beschleunigt. Vor allem der Vormarsch internationaler Investoren in der zahnmedizinischen Versorgung ist fatal und muss gestoppt werden. Das hat ja nun endlich auch der Bundesgesundheitsminister erkannt und strengere Regeln für die Gründung und den Betrieb von Medizinischen Versorgungszentren angekündigt. Ich glaube aber nicht, dass das reichen wird. In München ist die Zahnarztdichte schon jetzt doppelt so hoch wie im bayerischen Durchschnitt. Die KZVB muss viel mehr Informations- und Überzeugungsarbeit leisten, um den jungen Kollegen die Vorteile einer Praxisgründung oder -übernahme im ländlichen Raum schmackhaft zu machen. Man muss ja auch nicht dort wohnen, wo man den Beruf ausübt. Wenn sich das Problem des Landzahnarztmangels verschärft, wird es aber weitergehende Maßnahmen brauchen. Das können Honorarzuschläge sein, wie es sie für Hausärzte bereits gibt. Auch über Niederlassungsbeschränkungen in überversorgten Gebieten muss man nachdenken, wenn der Markt das nicht regelt.

Die Zahnmedizin wird auch weiblicher. Wie wirkt sich das auf die Versorgung aus?

Gleau: Ich organisiere seit vielen Jahren eine Informationsveranstaltung für Absolventen des Studienganges Zahnmedizin an der Universität München. Bis zu 75 Prozent des Nachwuchses sind heute Frauen. Es ist keinesfalls so, dass die alle in die Anstellung gehen wollen. Sie sind durchaus bereit, eine Praxis zu gründen oder zu übernehmen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Welche Rahmenbedingungen sind das?

Gleau: Die Erwartungen der Zahnärztinnen unterscheiden sich meiner Erfahrung nach kaum von denen der Zahnärzte. Beide wollen eine angemessene Vergütung für die geleistete Arbeit. Die Wiedereinführung der Budgetierung durch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist deshalb ein grundfalsches Signal. Das schreckt von der Existenzgründung ab und treibt die Leute in die vermeintlich sichere Anstellung. Natürlich braucht es auch ausreichende und bezahlbare Betreuungsangebote, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Und natürlich leiden Zahnärztinnen und Zahnärzte gleichermaßen unter der hohen Bürokratiebelastung und dem Fachkräftemangel. Hier muss die Politik gegensteuern, wenn es weiterhin eine wohnortnahe und flächendeckende Versorgung geben soll.

Wie beurteilen Sie die universitäre Ausbildung des Nachwuchses?

Gleau: Fachlich sind die jungen Kollegen sehr gut ausgebildet. Es fehlt aber an betriebswirtschaftlichen Kenntnissen. Die zahnärztliche Abrechnung wird immer komplizierter. Und gerade die Schnittstellen zwischen gesetzlicher und privater Gebührenordnung sind ja entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg einer Praxis. Ich kann den jungen Kollegen deshalb nur dringend empfehlen, sich auch in diesem Bereich weiterzubilden. Die zahnärztliche Selbstverwaltung bietet hier sehr gute Schulungen an. Vor allem das Niederlassungsseminar sollte jeder besuchen, der sich selbstständig machen will. Ich wünsche mir aber auch, dass bereits an den Universitäten besser über die verschiedenen Formen der Berufsausübung informiert wird. Natürlich gibt es Berufskundevorlesungen, aber ich weiß nicht, ob alle Studierenden daran teilnehmen. Selbstverständlich stehe ich den jungen Kollegen auch persönlich jederzeit für ein Beratungsgespräch zur beruflichen Weiterentwicklung zur Verfügung.

Wie wichtig ist die Assistenzzeit für den Start ins Berufsleben?

Gleau: Aufgrund der erwähnten Defizite halte ich die Assistenzzeit für elementar. Man lernt dort nicht nur das Arbeiten unter Praxisbedingungen, sondern auch, wie man wirtschaftlich behandelt. Es kommt aber entscheidend darauf an, dass man sich für die richtige Praxis entscheidet. Manche Kollegen sehen in den Vorbereitungsassistenten noch immer billige Arbeitskräfte. Aber das ist zu kurz gedacht. Im Idealfall übernimmt der Assistent eines Tages die Praxis, in der er ausgebildet wurde. So war es bei mir und den meisten anderen Kollegen. Entsprechend gut muss ich meinen Nachfolger auf die Aufgaben vorbereiten, die als Chef auf ihn zukommen.

Welchen Tipp möchten Sie dem Nachwuchs mitgeben?

Gleau: Lasst Euch nicht entmutigen! Der Zahnarztberuf wird oft schlechter geredet als er tatsächlich ist. Und vor allem: Macht Euch selbstständig! Ich bin in der ehemaligen DDR aufgewachsen und habe mich gerade deshalb später in meiner Praxis jeden Tag darüber gefreut, mein eigener Chef zu sein, der sich von niemandem etwas vorschreiben lassen muss.

Vielen Dank für das Gespräch!