Internationaler Kongress im südböhmischen Český Krumlov
Das Treffen hat bereits Tradition: Vor historischer Kulisse in Český Krumlov in Südböhmen fand der diesjährige internationale Kongress der vier (Landes-)Zahnärztekammern aus Tschechien, Österreich, Bayern und Sachsen statt. In den beiden Jahren zuvor war die Stadt Karlsbad Treffpunkt der vier Zahnärztekammern.
Im Beisein von Hauptmann Pavel Klíma, Magister der Region Südböhmen für das Schulwesen, eröffnete der Gastgeber doc. MUDr. Roman Šmucler, Präsident der Tschechischen Zahnärztekammer, den eintägigen Kongress, der traditionell von Referenten aus Tschechien, Deutschland und Österreich bestritten wird. Šmucler bezeichnete die Stadt Český Krumlov an der Moldau als hervorragenden Ort, um die länderübergreifende Begegnung fortzuführen.
Zur Eröffnung wandten sich Repräsentanten der Zahnärztekammern mit Grußworten an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Dr. Christoph Meißner, Vizepräsident der Landeszahnärztekammer Sachsen, und stellvertretend für die im Stau stehenden Präsidenten aus Bayern und Österreich, Christian Berger als Past-Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer sowie Dr. Ernst Michael Reicher aus dem Burgenland. Während die vier Präsidenten in einer politischen Zusammenkunft über aktuelle Themen diskutierten – inzwischen auch mit dem bayerischen Kammerpräsidenten Dr. Dr. Frank Wohl und seiner österreichischen Kollegin Dr. Birgit Vetter-Scheidl –, startete der Kongress.
Biologie und Endodontologie
Zum Auftakt beschäftigte sich MDDr. Patrik Pauliška aus Prag mit der vertikalen Präparation von festsitzendem Zahnersatz anhand eigener Fälle und untermauerte mit seinem Vortrag die „Renaissance der biologisch orientierten Präparationstechnik (BOPT)“ nach Ignazio Loi, der 2013 einen neuen Ansatz zur prothetischen Versorgung parodontal gesunder Zähne vorgestellt hatte, mittels vertikaler oder auslaufender Präparation. Bei der BOPT ist das Entfernen des anatomischen Austrittsprofils des Zahnes oder vorhandener Präparationsgrenzen das Ziel, was die Gestaltung eines Präparationsbereiches erlaubt, in dem sich der Kronenrand nach koronal verschieben lässt.
MDDr. Martin Košťál aus Trutnov (Tschechien) behandelte die präendodontische Präparation, die über die Kavum-/Kanalzugangsöffnung einer fachgerechten Wurzelkanalbehandlung dient. Ineffiziente Aufnahmen führten häufig zu Fehldiagnosen, mahnte er. Im Zweifel helfe das Anfertigen einer digitalen Volumentomografie bei der Planung des korrekten Zuganges zum Wurzelkanalsystem. Bei aller technologischer Unterstützung sollten die möglichen Anomalien des Wurzelkanalsystems bekannt sein. Letztlich müsse man auch mit gesundem Menschenverstand eine Abwägung treffen. Košťál, der in seiner Praxis nach eigenen Angaben eine Erfolgsrate von 92 Prozent bei der Wurzelkanalbehandlung aufweisen kann, sieht die möglichen Ursachen einer fehlerhaften Trepanation im Unterschätzen der Basisparameter. „Den guten Endodontologen erkennt man daran, dass er nicht vom Protokoll abweicht“, so sein Fazit.
Amalgam, Implantologie und L-PRF
Prof. Dr. Karl Glockner, Leiter der klinischen Abteilung für Zahnerhalt, Parodontologie und Zahnersatzkunde an der Universitätsklinik in Graz, stellte vor dem Hintergrund des Amalgamverbotes durch die EU zum 1. Januar 2025 die unbefriedigende Suche nach Ersatzmaterialien dar. 30 Prozent der österreichischen Gesamtbevölkerung habe noch Amalgamfüllungen im Mund. Für Kompositfüllungen müsse man vergleichsweise mit dem drei- bis fünffachen Zeitaufwand rechnen. Für ihn sei daher Glasionomerzement eine echte Alternative – allerdings mit der Einschränkung, dass dessen Haltbarkeit nur zwischen drei und fünf Jahren liege.
„Der digitale Workflow in der Implantologie nach prothetischen Konzepten“ lautete der Vortragstitel des einzigen Referenten aus Deutschland, Christian Berger aus Kempten. Der Präsident des Bundesverbandes der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa (BDIZ EDI) stellte anhand von exemplarischen Patientenfällen den digitalen Workflow von Anamnese und Diagnostik über prothetisch orientiertes Backward Planning zur Implantatchirurgie und Implantatprothetik vor und betonte die Wichtigkeit der Nachsorge.
Berger betonte mehrfach: „Jeder Fall ist ein kombinierter Fall: von der prothetisch orientierten Fallplanung über die Implantatchirurgie und die prothetisch orientierte Versorgung bis zur lebenslangen Nachsorge.“ Passend dazu stellte er den aktuellen Praxisleitfaden der Europäischen Konsensuskonferenz vor, der jedes Jahr unter Federführung des BDIZ EDI Handlungsempfehlungen zu einem aktuellen Thema in der Oralen Implantologie gibt. Das neue Papier behandelt von der digitalen Diagnostik über die digital gesteuerte Implantatpositionierung auch die digitalen Laborverfahren mit Digitaldruck bis zur KI.
Nach dem Vortrag von Magister Alexandra Košťálová über Ernährungsprobleme bei Schulmahlzeiten in Tschechien stellte MUDr. Pavel Hyšpler aus Prag seine 15-jährige klinische Erfahrung im Umgang mit L-PRF (Leukozyten- und plättchenreiches Fibrin) vor. Aus seiner Erfahrung mit der vestibulären Augmentation bei der Ridge Preservation mit Einsatz von ausschließlich PRF (plättchenreiches Fibrin), also autologes Thrombozytenkonzentrat, das zur Regeneration von Weichgewebe und Knochen eingesetzt wird, habe sich nach fünf Jahren zwar stabiles Gewebe gezeigt, die Hoffnung, dass sich die Membranen in Knochen verwandeln, habe sich jedoch nicht erfüllt: Weichgewebe ja, aber keine Knochenbildung. Anders seine Erfahrung mit L-PRF, das er heute beim transkrestalen Sinuslift einsetzt. Hyšpler bestätigte, dass sich das neu gebildete Gewebe tatsächlich als Knochen herausgestellt habe. Seine Schlussfolgerung für das Auditorium: L-PRF sei eine kostengünstigere Methode als der Einsatz von Kollagenmembranen und habe einen wissenschaftlich nachgewiesenen Nutzen. Auf der anderen Seite bestehe die Notwendigkeit für qualifiziertes Personal. Er betonte abschließend, dass es sich bei PRF nicht um ein Blutderivat handele, sondern um autologes Gewebe. Diese Unterscheidung sei für Zahnarztpraxen wichtig.
KI in der Zahnarztpraxis
Mit Spannung erwartet wurde der Vortrag von doc. MUDr. Roman Šmucler, CSc., der über die realistische Anwendung der künstlichen Intelligenz (KI) in der Zahnheilkunde referierte. Der tschechische Kammerpräsident ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Digitale Zahnheilkunde und KI“ der europäischen Regionalorganisation ERO in der Federation Dentaire Internationale (FDI) und arbeitet darüber hinaus gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Falk Schwendicke (LMU München) in der FDI-Arbeitsgruppe, die sich weltweit mit KI beschäftigt. Šmucler betonte, dass sich durch KI der bedeutendste strukturelle Wandel in der Zahnmedizin der vergangenen 100 Jahre vollziehe. Das umfasse ChatGPT, Telemedizin, Marketing, KI-kontrollierte medizinische Dokumentation bis hin zur selbstständigen Implantation durch Roboter. Er äußerte die Befürchtung, dass sich in Zukunft eine Schere aufmachen werde zwischen Praxen, die KI einsetzen, und denen, die es nicht tun. Die Entwicklung der KI sei indes generell extrem rasant, weil die Systeme lernfähig seien und sich selbst optimierten. Aktuell arbeite das EU-Parlament an der Regulierung der KI für verschiedene Risikogruppen. Für die Zahnarztpraxis nannte er als aktuelle Trends den Einsatz in der Administration, im Marketingbereich durch Chatbots, Röntgenscreening und erste Befundung, Experimente in der Diagnostik und bei den digitalen Modalitäten. „Die Robotertechnik und die KI werden die Planung und die Abläufe in der Praxis komplett verändern“, schloss Šmucler seine Ausführungen.
Nach den Zukunftsaussichten im Bereich KI entführte der Historiker Ondřej Lee Stolička zum Abschluss des Kongresses das Publikum in die reiche Vergangenheit von Český Krumlov. Im Mittelpunkt stand dabei die Geschichte der Adelsfamilie der Rosenberger in der Renaissance. Der Kongress fand in der ehemaligen Jesuitenschule, dem heutigen Hotel Růže, statt.
Anita Wuttke
München