Reformen lassen weiter auf sich warten – Expertenkommission tagt bis Ende 2026
Die Debatte über den Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums wurde für Nina Warken zum Debakel. Die Opposition kritisierte die Plan- und Ideenlosigkeit der Ministerin und ihres Staatssekretärs Tino Sorge (beide CDU). Auch Friedrich Merz steht wegen der Gesundheitspolitik der Ampelkoalition mittlerweile unter Beschuss.
„Die Kassenfinanzen scheinen ins Bodenlose zu stürzen. Bei der Generaldebatte im Bundestag waren die Beitragsspiralen für den Bundeskanzler aber kein Thema. Dabei drängen die ständig steigenden Sozialabgaben zur Eile; der Jahreswechsel naht, und dass mit ihm weitere Erhöhungen der Krankenkassenbeiträge kommen, bleibt zu befürchten“, schreibt die Pharmazeutische Zeitung.
Warken und Sorge überraschten im September mit scheinbar unabgestimmten Aussagen. So brachte der Staatssekretär einen „Basistarif“ in der gesetzlichen Krankenversicherung ins Spiel, den man durch Zusatzversicherungen ergänzen könne. Die Ministerin pfiff ihn umgehend zurück und verwies auf eine von ihr eingesetzte Expertenkommission. „Sie sollten sich vielleicht mal intern mit Ihren Kollegen abstimmen, bevor Sie mit so was an die Öffentlichkeit gehen“, kommentierte der AfD-Abgeordnete Martin Sichert die Gesundheitspolitiker der Koalition. Auch Janosch Dahmen von den Grünen ging die Ministerin scharf an. Er sehe eine „Koalition der Mutlosigkeit“ in der Regierung, wenn es darum gehe, dringend nötige Strukturreformen auf den Weg zu bringen. Stattdessen würden Kommissionen vertagt und geredet, wo gehandelt werden müsse. Ob Krankenhaus- oder Notfallreform: Die Pläne lägen fertig in der Schublade und müssten nur umgesetzt werden, doch das Ministerium komme nicht in die Gänge, schreibt der Ärztenachrichtendienst.
Warken ließ die Kritik scheinbar ungerührt abprallen und verwies erneut auf die von ihr eingesetzte Expertenkommission. „Ansätze über das bereits Bekannte skizzierte die Bundesgesundheitsministerin nicht“, so das Deutsche Ärzteblatt über die Debatte im Bundestag.
Die zehnköpfige Kommission, die auf Wunsch Warkens paritätisch besetzt ist, besteht überwiegend aus Juristen und Ökonomen. Nur zwei Mediziner dürfen ihren Sachverstand einbringen. Geplant ist ein zweistufiges Verfahren. Ein erster Bericht soll im März 2026 vorliegen. „Darin sollen unter anderem maßgebliche Kostentreiber sowie Ineffizienzen auf der Ausgabenseite und Probleme auf der Einnahmenseite identifiziert werden. Ein zweiter Bericht soll bis Dezember 2026 vorgelegt werden und mögliche Strukturreformen für die GKV aufzeigen, mit denen das Ausgabenwachstum mittel- bis langfristig reduziert und den Herausforderungen auf der Einnahmenseite begegnet werden kann“, so das BMG.
Mit echten Reformen wäre demnach erst ab 2027 zu rechnen – ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl, sofern Nina Warken und diese Bundesregierung dann noch im Amt sind.
Dass Warken die Kritik an ihrer Arbeit wirklich kalt lässt, darf indes bezweifelt werden. Am Tag der Debatte im Deutschen Bundestag fand abends ein Empfang der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung statt. Die Ministerin musste kurzfristig absagen – wegen Krankheit.
Leo Hofmeier
Zehn Richtige?
Mitglieder der FinanzKommission Gesundheit
Prof. Dr. Dagmar Felix
Dagmar Felix studierte bis 1988 Jura in Passau und promovierte dort. 1998 erhielt sie einen Ruf an die Universität Hamburg, 2002 wechselte sie auf eine C4 Professur für öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Sozialrecht. 2018/2019 war Felix Mitglied der Honorarkommission des Bundesgesundheitsministeriums, die sich mit Honorarordnungen im vertrags- und privatärztlichen Bereich befasste.
Prof. Dr. med. Ferdinand Gerlach
Ferdinand Gerlach ist seit 2004 Professor für Allgemeinmedizin an der Goethe-Universität Frankfurt. Er ist Vorsitzender der Deutschen Stiftung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin und war Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Vor seiner Berufung zum Professor war er als Facharzt für Allgemeinmedizin tätig. Von 2010 bis 2016 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin.
Prof. Dr. Wolfgang Greiner
Wolfgang Greiner ist seit 2005 Professor für Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement an der Universität Bielefeld. 1998 promovierte er mit einer Arbeit zu Kosten-NutzenAnalysen im Gesundheitswesen am Beispiel der Nieren- und Lebertransplantation. Im Jahr 2004 habilitierte er sich mit einer Untersuchung zu gesundheitsökonomischen Aspekten des Disease Managements.
Greiner studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hannover und hatte davor eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert.
Prof. Dr. Michael Laxy
Michael Laxy ist seit 2020 Professor für Public Health und Prävention an der TUM School of Medicine and Health. Vor seiner Berufung an die Technische Universität München war er Leiter der AG „Economics of Diabetes“ am Institut für Gesundheitsökonomie am Helmholtz Zentrum München.
Er studierte Public Health, Epidemiologie, Wirtschaftswissenschaften und Sportwissenschaft an der LMU, der TUM und der Fernuniversität Hagen. In seiner Promotion befasste er sich mit ökonomischen Aspekten der Diabetesversorgung.
Prof. Dr. Jonas Schreyögg
Jonas Schreyögg ist seit 2010 Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Management im Gesundheitswesen an der Universität Hamburg. Er leitet das Hamburg Centre for Health Economics und ist stellvertretender Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Schreyögg promovierte 2003 an der TU Berlin und habilitierte sich 2008 im Bereich Gesundheitsmanagement.
Prof. Dr. Leonie Sundmacher
Leonie Sundmacher ist seit September 2020 Professorin für Gesundheitsökonomie an der TUM School of Medicine and Health und leitet dort das Fachgebiet für Gesundheitsökonomie. Sie ist zudem wissenschaftliche Leiterin des Munich Center for Health Economics and Policy. Sie promovierte 2010 im Fach Gesundheitsökonomie an der Technischen Universität Berlin. Seit 2023 ist sie Mitglied des Sachverständigenrates für Gesundheit und Pflege beim Bundesministerium für Gesundheit. Sundmacher studierte Volkswirtschaftslehre, Gesundheitsökonomie und Politikwissenschaft an der University of York und der Freien Universität Berlin.
Prof. Dr. Gregor Thüsing
Gregor Thüsing ist seit 2004 Direktor des Institutes für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln legte er 1994 das erste juristische Staatsexamen ab. 1995 promovierte er mit einer arbeitsrechtlichen Dissertation.
1996 bestand er das zweite juristische Staatsexamen und erlangte 1998 den Master of Laws an der Harvard Law School. 2000 habilitierte er sich im Zivilrecht und erlangte die Venia Legendi für die Fächer Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht, Rechtsvergleichung und Kirchenrecht. Im Oktober 2024 wurde er in den Deutschen Ethikrat berufen.
Prof. Dr. Verena Vogt
Verena Vogt ist seit 2023 Professorin für Quantitative Versorgungsforschung mit den Schwerpunkten Primärversorgung und GKV-Routinedaten am Universitätsklinikum Jena. Sie leitet den Forschungsbereich „Quantitative Versorgungsforschung“ am IFA und ist Co-Sprecherin des Zentrums Versorgungsforschung am UKJ. Von 2020 bis 2023 hatte sie die Juniorprofessur für Versorgungsforschung und Qualitätsmanagement im ambulanten Sektor an der Technischen Universität Berlin inne. Sie studierte Gesundheitskommunikation (BSc) und Public Health (MSc) an der Universität Bielefeld und der University of Sheffield.
Prof. Dr. Dr. Eva Winkler
Eva Winkler ist seit 2024 Professorin für Translationale Medizinethik und seit 2025 Prodekanin für Digitalisierung an der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Sie ist geschäftsführende Direktorin des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Heidelberg und leitet die Sektion „Translationale Medizinethik“. Sie promovierte zuerst in der Krebsforschung (Dr. med.) an der Universität Heidelberg/dem Deutschen Krebsforschungszentrum und später in Medizin- und Gesundheitsethik (Dr. phil.) an der Universität Basel. 2011 habilitierte sie sich im Bereich Innere Medizin und Medizinethik. Sie ist Vorsitzende der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates sowie Vizepräsidentin der Akademie für Ethik in der Medizin.
Prof. Dr. Amelie Wuppermann
Amelie Wuppermann ist seit 2018 Inhaberin des Lehrstuhles für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Empirische Mikroökonomik, an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Sie ist Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Gesundheitsökonomie. Sie hat Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Göttingen und München studiert. 2011 promovierte sie zum Dr. oec. Publ. an der LMU. Wuppermann engagiert sich darüber hinaus in wissenschaftlichen Beiräten und Gremien, etwa als Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleiches beim Bundesamt für Soziale Sicherung.