Der Vorstand der KZVB stellte der bayerischen Gesundheitsministerin Judith Gerlach (2. v. r.) ein Praxisplakat zum Thema Organspende vor. Da eine gesetzliche Neuregelung weiter auf sich warten lässt, sollte man bereits zu Lebzeiten eine Entscheidung treffen.
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„Jeder sollte eine Entscheidung treffen“

Gesundheitsministerin Judith Gerlach wirbt für Organspende

Es kommt selten vor, dass die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach einer Meinung sind. Doch beim Thema Organspende setzen sich beide für eine gesetzliche Neuregelung ein: „Opt-out statt Opt-in“ – wir sprachen mit Judith Gerlach darüber, warum sie das für notwendig hält.

BZB: Warum ist es Ihnen ein persönliches Anliegen, dass sich mehr Menschen in Bayern mit dem Thema Organspende beschäftigen?

Gerlach: Es bedrückt mich sehr, dass so viele Menschen in Deutschland auf ein lebenswichtiges Spenderorgan warten müssen – allein in Bayern sind das derzeit rund 1 200! Deshalb setze ich mich für die sogenannte Widerspruchslösung ein. Denn Organspende wäre dann der Normalfall: Jeder und jede wäre im Todesfall entsprechend der gesetzlichen Rechtsfolge Organspender, sofern nicht zu Lebzeiten widersprochen wurde. Dies bietet allen Bürgerinnen und Bürgern Anlass, sich zumindest einmal im Leben mit der Thematik auseinanderzusetzen und eine Entscheidung zu treffen. Das wäre auch eine Entlastung für die Angehörigen.

BZB: Derzeit muss man einer Organspende explizit zustimmen. Bei der Speicherung von Gesundheitsdaten in der elektronischen Patientenakte gilt dagegen ab 2025 die Opt-out-Lösung. Ist das für Sie nachvollziehbar?

Gerlach: In diesem Fall ist das schwer vergleichbar. Die Opt-out-Lösung bei der ePA ist das eine, die Regelung zur Organspende das andere.

Klar ist: Die Opt-out-Lösung im Transplantationsrecht, also die Einführung der Widerspruchsregelung, würde einen Paradigmenwechsel hin zu einer „Kultur der Organspende“ bedeuten. Dabei würde weiterhin niemand zur Organspende gezwungen werden. Das Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger bliebe jederzeit gewahrt. Den Wechsel zu Opt-out-Lösung bei der ePA begrüße ich ausdrücklich. Wir haben uns aus Bayern heraus stets dafür starkgemacht, dass dieser wichtige Schritt für eine bessere Versorgung aufgrund der breiter angelegten Nutzung von Gesundheitsdaten nun erfolgt. Mit der Opt-in-Variante ist hier jahrelang viel zu wenig vorangegangen. Wichtig ist allerdings auch, dass diejenigen, die sich für das Opt-out bei der ePA entscheiden, dies niedrigschwellig ohne bürokratische Hürden erreichen können.

BZB: Sie haben sich auf Bundesebene für eine Opt-out-Lösung bei der Organspende eingesetzt. Stießen Sie bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf Verständnis?

Gerlach: Bei diesem Thema sind Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und ich einer Meinung. Er zählt zu den 21 Bundestagsabgeordneten, die im Juni dieses Jahres einen Gruppenantrag vorgestellt haben, der die Einführung einer Widerspruchslösung vorsieht.

BZB: Vermutlich wird es in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu einer Gesetzesänderung kommen. Wie wollen Sie Ihr Ziel, dass mehr Menschen einer Organspende zustimmen, dennoch erreichen?

SCHON ENTSCHIEDEN? PRAXISPLAKAT ZUM THEMA ORGANSPENDE

Zahnärzte sind Ärzte. Ihre Tätigkeit und Expertise beschränken sich nicht auf die Mundhöhle. Deshalb unterstützt die KZVB die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach dabei, die Zahl potenzieller Organspender zu erhöhen. Diesem BZB liegt ein Plakat bei, das die bayerischen Zahnärzte in ihren Praxen aushängen können. Es enthält einen QR-Code, der direkt zum neuen Organspende-Register führt. Das Motiv stammt aus einem Schülerwettbewerb, der an bayerischen Gymnasien durchgeführt wurde. Die Plakatkosten werden vom bayerischen Gesundheitsministerium finanziell gefördert. © KZVB

Gerlach: Ich setzte darauf, dass der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode zu einer Abstimmung über die Gesetzesänderung kommen wird. Alle Argumente liegen bereits auf dem Tisch. Unabhängig von der Einführung der Widerspruchslösung ist es wichtig, das Thema Organspende zu enttabuisieren. Das bayerische Gesundheitsministerium engagiert sich bereits seit vielen Jahren für die Organspende in Form von Aufklärungskampagnen und Veranstaltungsreihen. Ziel ist es, dass sich mehr Menschen mit dem Thema Organspende auseinandersetzen – beispielsweise durch unsere Social-Media- Kampagne „Du entscheidest! Organspende? Deine Wahl.“

Zudem müssen wir früh mit der Aufklärung anfangen. Wir gehen deshalb auch in die Schulen und die Unis. So unterstützt mein Ministerium seit über 20 Jahren das Projekt „Schulklassen in die Transplantationszentren“ am Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 2012 bietet auch das Klinikum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in Zusammenarbeit mit dem Ministerium und der Deutschen Stiftung Organtransplantation Schülerseminare zum Thema Organspende und Transplantationsmedizin an. Zudem wirbt das Bündnis Organspende Bayern, dessen Geschäftsstelle im Bayerischen Gesundheitsministerium angesiedelt ist, mit seinen rund 70 Mitgliedern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft seit mehr als sieben Jahren dafür, dass sich die Menschen mit dem Thema Organspende befassen.

Ziel des Bündnisses ist es, eine Sensibilisierung aller Bevölkerungsschichten für das Thema Organspende zu erreichen und damit beizutragen, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger Bayerns mit der Frage der eigenen Organspendebereitschaft auseinandersetzen und hierzu eine informierte und selbstbestimmte Entscheidung treffen. Es freut mich in diesem Zusammenhang auch sehr, dass die KZVB seit Anfang Juli Mitglied des Bündnisses Organspende Bayern ist.

BZB: Seit Kurzem gibt es ein bundesweites Organspende-Register, das den Ausweis im Geldbeutel ablösen soll. Glauben Sie, dass sich dadurch die Spendenbereitschaft erhöht?

Gerlach: Ein substanzieller Fortschritt zur Beseitigung des Organmangels kann mit dem Organspende-Register allein kaum erreicht werden. Das Organspende-Register ist jetzt knapp ein halbes Jahr online. Wenn man sich die Anzahl der Eintragungen von knapp 150 000 ansieht, ist hier deutlich Luft nach oben.

BZB: Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Leo Hofmeier.