Herbst der Reformen? Oder politischer Winterschlaf?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Bundeskanzler Friedrich Merz hat vor einigen Wochen in der Generaldebatte des Deutschen Bundestages zum Haushalt den „Herbst der Reformen“ ausgerufen. Genauer gesagt, sprach er davon, dass dieser „längst eingeleitet” sei. Nicht nur die deutsche Kabarettszene reagierte mit einem gewissen Sarkasmus auf diese Aussage, haben doch die meisten Kommissionen, die Vorschläge vor allem beim Sozialstaat erarbeiten sollen, ihre Arbeit gerade erst aufgenommen.

Um bis Ende 2026 über die Runden zu kommen, sollen im Gesundheitswesen kurzfristig etwa zwei Milliarden eingespart werden, zu 90 Prozent im Krankenhausbereich (Stand: Mitte Oktober). Es macht Sinn, sich an dieser Stelle einige Kennzahlen ins Gedächtnis zu rufen:

  • Die Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Jahr 2024 betrugen 327,4 Milliarden Euro.
  • Weniger als sechs Prozent Ausgabensteigerung jährlich sind praktisch nicht zu schaffen.
  • Der Anteil der Zahnmedizin an den GKV-Gesamtausgaben ist von über 15 Prozent im Jahr 1976 auf 5,6 Prozent 2024 gesunken. Anteil der Zahnmedizin bedeutet: Zahnerhaltung plus Chirurgie, Parodontologie, KFO, Kieferbruch, Kiefergelenk, obstruktive Schlafapnoe plus Prävention plus Zahnersatz plus Vergütung der Zahntechniker.

Bereits bei der Betrachtung dieser Kennzahlen zeigt sich, dass die Zahnmedizin kein Kostentreiber im Gesundheitswesen ist. Zahnmedizin leistet Großartiges in Deutschland, und das für etwa ein Zwanzigstel der GKV-Ausgaben. Selbst wenn man „die Zahnmedizin“ komplett aus dem Leistungskatalog der GKV herauslösen würde, würde das nicht einmal die Kostensteigerung der anderen Bereiche innerhalb eines Jahres ausgleichen.

Wir erwarten von den politischen Verantwortungsträgern, dass Reformen dort ansetzen, wo wirklich gespart werden kann. Der Abbau von Bürokratie könnte das System mit Leichtigkeit in einer Größenordnung von zehn bis zwanzig Prozent entlasten.

Wer da nicht endlich handelt, bei dem besteht die Gefahr, dass der Winterschlaf nahtlos in die Frühjahrsmüdigkeit übergeht, gefolgt vom tiefen Sommerloch und einer mittelschweren Herbstdepression. Das wollen wir doch Friedrich Merz und den Seinen nicht wünschen!

Herzlichst Ihr Dr. Dr. Frank Wohl
Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer