Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es spricht Bände, wenn man sich im Deutschen Bundestag Karl Lauterbach zurückwünscht. Der sei wenigstens vom Fach gewesen, hämte eine Abgeordnete der Grünen bei der Debatte über den Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums. Ganz Unrecht hat sie nicht. Die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) wirkt gelinde gesagt ratlos. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steigen und steigen. Nur durch Beitragserhöhungen und einen höheren Steuerzuschuss können die Krankenkassen ihre Liquidität aufrechterhalten. DAK-Chef Andreas Storm, der selbst 14 Jahre im Deutschen Bundestag saß, ist aktuell der Kassenmanager, der die Probleme am deutlichsten anspricht. Er warnt vor einem Dominoeffekt, wenn „ein halbes Dutzend Krankenkassen mit deutlich über einer Million Versicherten“ in die Zahlungsunfähigkeit rutscht. Auch die anderen Kassen fordern mit Nachdruck echte Strukturreformen.
Und was macht Warken? Sie beruft eine Expertenkommission ein. Zehn Professorinnen und Professoren sollen nun die Konzepte erarbeiten, mit denen das deutsche Gesundheitssystem zukunftssicher wird. Ich zweifle nicht am Sachverstand dieser Ökonomen und Juristen, aber keiner von ihnen steht im wahrsten Sinn des Wortes in der Praxis. Sie wissen nicht, wie es sich anfühlt, wenn man nach einem anstrengenden Tag mit mehr als einem Dutzend Patienten die Abrechnung machen muss, wenn am Montagmorgen das Kartenlesegerät ausfällt und am Nachmittag das Gesundheitsamt zur Praxisbegehung vorbeischaut. Sie wissen auch nicht, wie hoffnungslos mittlerweile die Suche nach qualifiziertem Praxispersonal ist. Und vor allem: Sie haben noch nie mit Patienten gesprochen, die zu Recht sauer sind, wenn sie trotz fast 1 000 Euro GKV-Beitrag auch noch Zuzahlungen leisten sollen. Ach ja, die Professoren sind natürlich wie die Politiker privat versichert!
Fairerweise muss man erwähnen, dass die Bundesgesundheitsministerin auch einen Arzt und eine Ärztin in ihre Kommission berufen hat. Allerdings sind auch sie Hochschullehrer mit Beamtenbezügen. Ein Zahnarzt gehört dem Gremium nicht an. Ich bin grundsätzlich ein optimistischer Mensch, aber in diese Kommission habe ich keine großen Erwartungen. Und vor allem: Sie soll bis 2027 tagen! Die Probleme unseres Gesundheitswesens müssen aber jetzt gelöst werden. In den kommenden fünf Jahren erreicht ein Viertel der niedergelassenen Zahnärzte in Bayern das Ruhestandsalter. Wer soll ihre Praxen übernehmen? Gleichzeitig sind internationale Investoren weiterhin auf dem Vormarsch – gerade in der Humanmedizin, wie Sie auf Seite 16 ff. lesen können.
Es bleibt also bei einer alten Weisheit: Help yourself! Die Selbstverwaltung, die natürlich ebenfalls nicht in der Expertenkommission vertreten ist, wird dafür sorgen müssen, dass versorgungstechnisch nicht die Lichter ausgehen. In der KZVB tun wir das in vielfältiger Weise. Wir werben beim Nachwuchs intensiv für die Niederlassung, wir haben gerade die Notdiensteinteilung neu geregelt, um Sie zu entlasten, und wir helfen Ihnen dabei, die Schnittstellen zwischen Bema und GOZ konsequent zu nutzen. Nur so bleibt die Praxis wirtschaftlich, nur so können Sie die Gehälter Ihrer Mitarbeiter bezahlen und Ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Auf den Staat ist leider kein Verlass. Frau Warken und ihren Experten kann ich nur raten, das Gespräch mit uns zu suchen. Wir haben viele Ideen, wie man einerseits eine hochwertige Versorgung aufrechterhalten und andererseits die GKV-Ausgaben reduzieren kann.
Ihr Dr. Jens Kober
Mitglied des Vorstands der KZVB