KZVB hat klare Forderungen an die neue Bundesregierung
„Karl Lauterbach entwickelte sich innerhalb kurzer Zeit vom Gesundheitsminister der Herzen zum Minister der Schmerzen.“ So lautete bereits 2023 das Urteil des KZVB-Vorsitzenden Dr. Rüdiger Schott über den Professor, der seine Fliege längst abgelegt hat. Wir sprachen mit Schott und seinen beiden Vorstandskollegen Dr. Marion Teichmann und Dr. Jens Kober darüber, was sich in der Gesundheitspolitik nach dem 23. Februar ändern muss.
BZB: Was haben Sie gedacht, als sie vom Ende der Ampelkoalition erfahren haben?
Teichmann: Wir waren gerade bei der Vertreterversammlung der KZBV in Bonn, als die Bombe platzte. Trump war am gleichen Tag zum Präsidenten der USA gewählt worden. Die Nachricht, dass Olaf Scholz Christian Lindner als Bundesfinanzminister entlassen und damit die Koalition faktisch beendet hat, wurde von den Delegierten überwiegend mit Erleichterung aufgenommen. Auch ich war froh, dass das Hängen und Würgen ein Ende hatte. Was nicht zusammenpasst, passt nicht zusammen.
Kober: Auch ich habe Erleichterung darüber gespürt, dass die Hängepartie in Berlin ein Ende hatte. Die Ampel war keine Liebesehe. Am Ende überwogen die Gegensätze den kleinen Vorrat an Gemeinsamkeiten.
BZB: Denken Sie, dass auch Differenzen in der Gesundheitspolitik hier eine Rolle spielten?
Schott: Die Gesundheitspolitik hat leider seit Jahrzehnten nicht den Stellenwert, den sie eigentlich haben sollte. Die Medizin ist nicht nur der mit Abstand größte Wirtschaftszweig in Deutschland. Sie ist Teil der Daseinsfürsorge und sogar ein Standortfaktor. Dort, wo keine ausreichende ambulante und stationäre Versorgung zur Verfügung steht, werden sich internationale Konzerne nicht niederlassen. Weil sich zu wenig Parlamentarier für die komplexen Zusammenhänge in der Gesundheitspolitik interessieren, konnte Karl Lauterbach relativ unbeschadet agieren.
BZB: Hat er denn überhaupt agiert? Sie werfen ihm zum Beispiel Untätigkeit in Sachen iMVZ vor …
Schott: Er war sicher nicht der Fleißigste im Kabinett Scholz. Es wird sich noch bitter rächen, dass er dem Vormarsch der Finanz-Heuschrecken in der ambulanten Versorgung tatenlos zugeschaut hat. Der Markt ist jetzt weitgehend aufgeteilt. Die investorenfinanzierten MVZ haben Bestandsschutz. Wir können das Rad also nicht mehr komplett zurückdrehen. Die iMVZ in Bayern wirken aber wie ein Brandbeschleuniger für das Praxissterben, weil sie junge Kolleginnen und Kollegen an sich binden, die uns als Gründer oder Übernehmer fehlen. Dennoch kann ein neuer Bundesgesundheitsminister einen noch stärkeren Konzentrationsprozess verhindern. Ein Beispiel: Wir haben in Bayern eine neue Formel für die Wirtschaftlichkeitsprüfung entwickelt, von der Einzelpraxen und kleinere Gemeinschaftspraxen profitieren. Große iMVZ können sich jetzt nicht mehr hinter ihren hohen Fallzahlen verstecken. Das ist keine Ungleichbehandlung, sondern ein Beitrag für mehr Gerechtigkeit und einen fairen Wettbewerb zwischen verschiedenen Berufsausübungsformen.
BZB: Hat die Einzelpraxis überhaupt noch eine Zukunft?
Teichmann: Sie ist und bleibt zusammen mit kleinen Gemeinschaftspraxen das Rückgrat der Versorgung im ländlichen Raum. Und sie steht an erster Stelle, wenn man den Nachwuchs befragt. Sein eigener Chef zu sein, alleine und selbstbestimmt entscheiden, das ist auch für die Generationen Y/Z attraktiv. Aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen, und da besteht massiver Handlungsbedarf.
BZB: Womit wir bei den Forderungen der KZVB wären. Wer fängt an?
Schott: Ich schlage vor, dass Dr. Kober beginnt, weil er für die Abrechnung zuständig ist. Und da hat Lauterbach am meisten Schaden angerichtet.
Kober: Dr. Schott spielt sicher auf die Wiedereinführung der Budgetierung an. Das war tatsächlich eine eiskalte Dusche. Ich hätte nicht gedacht, dass dieses planwirtschaftliche Steuerungsinstrument aus den 1990er-Jahren noch einmal aus der politischen Mottenkiste geholt wird. Die Mittel für die Patientenversorgung einfach per Federstrich begrenzen und den Zahnärzten noch nicht einmal die Grundlohnsummensteigerung zuzugestehen – dazu gehört Chuzpe. Oder eine sozialistische Grundeinstellung.
BZB: In Bayern hat sich die Budgetierung aber kaum ausgewirkt …
Kober: Glück gehabt, könnte ich sagen. Aber es ist dem Zusammentreffen vieler Faktoren zu verdanken, dass wir unseren Mitgliedern bislang keinen Euro kürzen mussten. Ich danke explizit auch unseren Vertragspartnern, die kompromissbereit waren, und den bayerischen Zahnärzten, die das Wirtschaftlichkeitsgebot konsequent beachtet haben. Dazu hat sicher auch eine Roadshow beigetragen, wo wir in stundenlangen Diskussionen aufgezeigt haben, wie man wirtschaftlichen Schaden von der Praxis abwenden und den Sicherstellungsauftrag dennoch erfüllen kann. Unser Budgetradar war hierbei ein ganz wichtiges Instrument. Es hat die Zahnärzte durch den Budget-Dschungel gelotst und ihnen Handlungsspielräume gelassen. Der aktuelle Honorarverteilungsmaßstab hat seinen Stresstest bestanden.
BZB: Dann kann die Budgetierung ja eigentlich bleiben …
Teichmann: Wenn Sie wollen, dass versorgungstechnisch nach und nach die Lichter ausgehen, ja! Im Ernst: Die Budgetierung ist psychologisch ein verheerendes Signal. Zeigen Sie mir eine Berufsgruppe, die sich dem Risiko Selbstständigkeit aussetzt, ohne zu wissen, wie viel man durch seine Arbeit verdient. Ein präziser Businessplan ist elementar für diese Lebensentscheidung. Und welchen Punktwert soll ich da bitte eintragen? Grundlohnsumme minus eins, zwei oder drei Prozent? So bekommen Sie nicht einmal einen Kredit, den aber fast jeder Gründer braucht. Die Budgetierung muss weg – sonst sind wir bald alle weg.
BZB: Übertreiben Sie nicht etwas?
Teichmann: Die demografischen Fakten sind eindeutig. Bis 2028 erreicht fast ein Viertel der bayerischen Vertragszahnärzte das Ruhestandsalter. Wer soll diese Praxen übernehmen, wenn sich politisch nichts ändert? Deshalb entscheidet der Ausgang der Bundestagswahl über die Zukunft der ambulanten Versorgung. Sobald der oder die Neue im Bundesgesundheitsministerium ist, erhält diese Person einen Brandbrief mit unseren Forderungen. Wenns sein muss, starten wir auch wieder eine Unterschriftenaktion wie schon 2022 oder hängen neue Plakate in unseren Wartezimmern auf.
BZB: Können Sie uns kurz die weiteren Forderungen nennen?
Schott: Auch wenn es fast keiner mehr hören kann: Bürokratieabbau! Ich habe Zahnmedizin studiert, nicht Verwaltungswissenschaften. Es heißt oft: Mit der Digitalisierung wird alles einfacher, aber im BMG-kontrollierten Gesundheitsbereich ist leider das Gegenteil der Fall. Telematik-Infrastruktur (TI) – das ist ein Reizwort für fast alle Kolleginnen und Kollegen.
Teichmann: Auch ich sehe in der schlecht gemachten und gesetzlich erzwungenen Digitalisierung eine der Ursachen für den Rückgang der Niederlassungsbereitschaft. Zudem hören viele ältere Kollegen früher auf, weil sie schlicht genervt sind von ständigen Ausfällen und Störungen bei der TI. Deshalb: TI-Reset und ein Neuanfang unter Einbeziehung der Betroffenen sowie der Selbstverwaltung.
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© PhotoSG / Tekin (KI-generiert)-stock.adobe.com
Kober: Generell brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Selbstverwaltung. Gerade bei der TI hat sich doch gezeigt, dass es der Staat nicht besser kann. Wenn der neue Bundesgesundheitsminister intelligentere Lösungen für die Finanzprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung sucht als den Rasenmäher, kann er sich gerne unserer Expertise bedienen. Ein gutes Beispiel sind die befundorientierten Festzuschüsse bei Zahnersatz, die aus der Zahnärzteschaft kamen und sich seit 20 Jahren bewähren. Sie stärken die Eigenverantwortung und entlasten die Krankenkassen. Die kann man auf andere Leistungsbereiche wie die PAR ausdehnen. Die neue PAR-Behandlungsstrecke ist offensichtlich nicht finanzierbar. Dann muss man das aber den Patienten auch ehrlich sagen. Es ist sehr erfreulich, dass mittlerweile fast 20 Millionen Patienten eine private Zahnzusatzversicherung haben. Dazu haben wir durch unsere Aufklärungsarbeit mit beigetragen. Und wir sind Spitzenreiter bei Prävention und Prophylaxe. Wenn wir Übergewicht und Bluthochdruck nur ansatzweise so zurückdrängen könnten wie Karies, wären die Finanzprobleme der GKV vermutlich die nächsten zehn Jahre gelöst.
Schott: Mir ist der Erhalt der Freiberuflichkeit noch ein sehr großes Anliegen. Nur mit Angestellten werden wir den Sicherstellungsauftrag nicht erfüllen können. Der freiberuflich tätige Zahnarzt ist der beste Garant einer wohnortnahen, qualitativ hochwertigen Versorgung, in deren Mittelpunkt der Patient steht und nicht Private Equity.
Teichmann: Ich darf noch den Nachwuchs ergänzen! Wir tun enorm viel, um jungen Kolleginnen und Kollegen die Freude an der Freiberuflichkeit zu vermitteln. Aber was nützt das, wenn uns die Politik immer wieder Knüppel zwischen die Beine wirft. Ein Bundesgesundheitsminister sollte sich bei jeder Entscheidung überlegen, wie diese bei der 25-jährigen Vorbereitungsassistentin ankommt, die mit sich ringt, ob sie die Ausbildungspraxis übernimmt. Jede Vorschrift, die wegfällt, ist ein Niederlassungsanreiz, jede die neu hinzukommt, schreckt ab. Und ich erwarte mehr Unterstützung bei der Gewinnung von Praxispersonal. Der ZFA-Mangel wird immer mehr zum limitierenden Faktor bei der Behandlungskapazität. Dieses Problem lösen wir auch nicht durch mehr Studienplätze für Zahnmedizin.
BZB: Macht Standespolitik unter den derzeitigen Gegebenheiten überhaupt noch Spaß?
Schott: Wir haben weniger Spielräume als früher, aber die verbleibenden nutzen wir konsequent zum Vorteil der Kollegen. Und wer soll unseren Job denn übernehmen? Die Krankenkassen? Die Kommunen? Oder gleich die Politik? Keines dieser Szenarien möchte ich mir auch nur ansatzweise vorstellen und deshalb bin ich nach wie vor hoch motiviert.
Teichmann: Ich bin erst gute zwei Jahre im Vorstand der KZVB und versuche auch, vor allem das Positive zu sehen. Wir konnten Honorarkürzungen vermeiden und haben noch keine zahnmedizinisch unterversorgten Gebiete. Außerhalb Bayerns sieht das ganz anders aus. Es lohnt sich also schon, sich zu engagieren. Und jetzt schauen wir mal, mit wem wir es nach dem 23. Februar zu tun haben.
Kober: Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen ist ein hohes Gut, um das wir zu Recht von anderen Berufsgruppen beneidet werden. Deshalb: Ja, es macht auch unter schwierigen Rahmenbedingungen Spaß, sich für die Kollegen einzusetzen. Mein Sohn macht gerade sein Staatsexamen in Zahnmedizin. Ich will, dass er diese Entscheidung nicht bereut und engagiere mich für ihn und alle anderen, die sich durch dieses anspruchsvolle Studium gekämpft haben. Als Münchner bin ich natürlich auch ein Fan vom Monaco Franze und der sagte bekanntlich: „A bisserl was geht immer.“ Das gilt auch für die zahnärztliche Standespolitik.
BZB: Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Leo Hofmeier.