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Die Patientenberatung bei Molaren- Inzisiven-Hypomineralisation (MIH)

Wie können Kreidezähne bestmöglich behandelt werden?

Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) stellt eine entwicklungsbedingte Erkrankung der Zahnhartsubstanz dar, die durch qualitative Schmelzdefekte in Form verringert mineralisierter, fehlstrukturierter Schmelzanteile gekennzeichnet ist. Diese führen in der einfachsten Form zu weißlichen Opazitäten, bräunlichen Verfärbungen oder Porositäten, in schwereren Verlaufsformen aber auch zu fortschreitenden Schmelzaus- und -abbrüchen bis hin zu umfangreichen Ablationen. Häufig leiden die betroffenen Kinder unter ausgeprägten Hypersensibilitäten bis hin zu eingeschränkt möglicher, sehr schmerzhafter Mundhygiene und u. U. rasch fortschreitender Karies. Zumeist sind die (ersten) Molaren betroffen und klassischerweise auch die (gehäuft) oberen mittleren Frontzähne. Im Oberkiefer ist das Krankheitsbild häufiger als im Unterkiefer, jedoch können jüngst auch andere Zähne (seitliche Schneidezähne, Eckzähne, 2. Molaren) und auch bereits Milchzähne betroffen sein.

Der Begriff MIH wurde erst in 2001 auf der Jahrestagung der European Academy of Paediatric Dentistry vorgeschlagen und wird seitdem einheitlich verwendet. Die Prävalenzdaten schwanken teilweise in den europäischen Ländern schwer, man geht davon aus, dass in Deutschland zwischen 4 und 14 % (ca. 6 % mit schwerer Verlaufsform), schließt man weißliche Opazitäten ein, bis 28 % der Kinder betroffen sind.

Die Ursachen sind bis heute unklar, auch wenn jüngst Zusammenhänge zu Medikamenten wie Antibiotika oder Erkrankungen des Respirationstraktes (auch bereits während der Schwangerschaft) beschrieben werden. Andere Thesen sehen ursächlich Zusammenhänge zu frühkindlichen Infektionserkrankungen mit häufigen Fieberschüben, Windpocken, Umweltbedingungen (Schadstoffen, Weichmacher usw. Ein vermuteter Zusammenhang zu Bisphenol A-Aufnahme hat sich bisher nicht bestätigt).

Betroffene Kinder und Eltern sollten möglichst frühzeitig zahnärztlichen Rat in Anspruch nehmen. Für die häusliche Zahnpflege sollte eine fluoridhaltige Zahnpasta (ab dem sechsten Lebensjahr mit mindestens 1 400 ppm Fluorid) mit mittleren Abrasionswerten (RDA-Wert bis 70, 80), ggf. in Kombination mit einer weichen Zahnbürste verwendet werden. Die Kombination mit Hydroxylapatit-Mineralien in der Zahnpasta hat sich sehr bewährt.

Bei Hypersensibilitäten oder zur Unterstützung der Rückbildung von weißlichen Verfärbungen oder Initialkaries empfiehlt sich die dauerhafte, regelmäßige Verwendung von Hydroxylapatit-haltigen „Reparaturpasten“ (ApaCare Repair) am besten mittels einer vom Zahnarzt hergestellten Zahnschiene. Für die akute Anwendung über 14 Tage gibt es einen mineralisierenden Zahnlack für die Heimanwendung (ApaCare Zahnlack Pinselflasche). Bei regelmäßiger Anwendung reduzieren sich die Hypersensibilitäten zumeist rasch, und das zusätzliche bioverfügbare Kalzium und Phosphat aus der Reparaturpaste und dem Lack begünstigten die weitere Schmelzreifung bis weit über die Pubertät hinaus.

Dies kann zusätzlich durch regelmäßiges Kauen von kalziummineralhaltigen Kaugummis auf Xylitol Basis unterstützt werden.

Bei großflächigen Defekten oder irreversibler Karies sollte frühzeitig eine minimalinvasive, defektorientierte (wenn möglich kleinflächige), adhäsive Kompositfüllung mit modernen Haftvermittlern an der Zahnhartsubstanz durchgeführt werden. Überkronungen bei Kindern haben in der Regel nur eine eingeschränkte Prognose und sollten sehr zurückhaltend in Erwägung gezogen werden. In sehr seltenen, besonders schweren Fällen kann als „letzte“ Maßnahme die Entfernung der betroffenen ersten Molaren mit anschließendem kieferorthopädischen Lückenschluss in Erwägung gezogen werden, dies insbesondere dann, wenn ohnehin ein Platzmangel mit der Indikation für eine kieferorthopädische Behandlung besteht.

UNIV.-PROF. DR. RAINER HAHN
Leiter der Abteilung Prävention an der Danube Private University (DPU) Krems, Österreich