Am 25. April unterzeichneten Dr. Irmgard Stippler (AOK Bayern) und Dr. Rüdiger Schott (KZVB) in Nürnberg die Vergütungsvereinbarung für die Jahre 2023 und 2024.
Foto: AOK Bayern

Die bayerische Lösung

Wie die KZVB trotz Lauterbach Budgetüberschreitungen vermeiden konnte

Ganz Deutschland ächzt unter Lauterbachs Spargesetz. Ganz Deutschland? Nein! Bayern geht wieder einmal einen Sonderweg. Durch geschickte Verhandlungen konnte die KZVB Budgetüberschreitungen für das Jahr 2023 bei allen großen Krankenkassen vermeiden. Wir sprachen mit den drei Vorstandsmitgliedern darüber, wie das möglich war – und wie es nun weitergeht.

BZB: Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wurde bei seiner Einführung als „Frontalangriff auf den Berufsstand“ bewertet. Hat sich das bestätigt?

Schott: Das Gesetz aus dem Hause Lauterbach ist definitiv versorgungsfeindlich und zutiefst ungerecht. Wenn der Behandlungsbedarf bei einer Krankenkasse das Budget übersteigt, sollen wir Zahnärzte dafür bluten. Das ist nichts anderes als sozialistische Planwirtschaft, die mit der freiberuflichen Berufsausübung nicht vereinbar ist. So kann man die jungen Kolleginnen und Kollegen nicht davon überzeugen, sich dem Risiko der Selbstständigkeit auszusetzen.

BZB: Spüren die Zahnärzte in Bayern das Gesetz bereits?

Schott: Das ist der Riesenerfolg, den wir in Bayern erzielen konnten. Während Zahnärzte in anderen Bundesländern bereits Kürzungsbescheide im vier- und fünfstelligen Bereich bekommen haben, wurde bei uns noch keinem Zahnarzt ein Euro „rückbelastet“.

BZB: Wie kam es dazu?

Kober: Wir waren bei den Ersatz- und Betriebskrankenkassen in einer relativ guten Ausgangssituation. Die Gesamtvergütung wurde dort in den budgetfreien Jahren nicht ausgeschöpft. Es war also genügend Luft im System, um trotz der Budgetierung alle erbrachten Leistungen vollumfänglich vergüten zu können.

BZB: Bei der AOK Bayern sah das aber lange Zeit anders aus …

Teichmann: Bei der größten in Bayern tätigen Krankenkasse stand das Budgetradar tatsächlich ab dem ersten Quartal 2023 auf „Rot“. Es drohte eine erhebliche Überschreitung der vertraglich vereinbarten Gesamtvergütung – für die Jahre 2023 und 2024 wäre das ein zweistelliger Millionenbetrag gewesen. Darüber mussten wir die Praxen frühzeitig informieren.

Schott: Wir haben nicht nur die Praxen informiert, sondern auch die Öffentlichkeit. Eine Budgetüberschreitung bei einer Kasse mit 4,7 Millionen Versicherten hätte weitreichende Folgen für die Versorgung. Darauf haben wir mit Plakaten und Anzeigen hingewiesen.

BZB: Hat das bei der AOK Bayern zum Umdenken geführt?

Schott: Darüber kann ich nur spekulieren. Fakt ist: Das Landesschiedsamt hat die Rechtauffassung der AOK Bayern geteilt. Wir haben zwar dagegen geklagt, aber Verfahren vor Sozialgerichten dauern ewig und der Ausgang ist bekanntlich ungewiss. Umso mehr freut es mich, dass die AOK Bayern von sich aus bereit war, sich erneut an den Verhandlungstisch zu setzen. Ich darf mich an dieser Stelle ausdrücklich bei der AOK-Vorstandsvorsitzenden Dr. Irmgard Stippler bedanken, die die Verhandlungen mit uns zur Chefsache erklärt hat. Mein Dank gilt auch den Mitarbeitern in der KZVB-Verwaltung, die uns bei den Verhandlungen unterstützt und umfangreiches Datenmaterial bereitgestellt haben.

BZB: Was konnten Sie erreichen?

Schott: Die AOK Bayern hat sich einen großen Schritt auf uns zubewegt. Wir konnten für das Jahr 2023 eine Regelung treffen, die eine Überschreitung der Gesamtvergütung bei der AOK Bayern vermeidet. Alle erbrachten Leistungen werden den bayerischen Vertragszahnärzten vollumfänglich vergütet. Es gibt keine Rückbelastungen.

Kober: Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die uns während der gesamten Phase der Vergütungsverhandlungen unterstützt haben. Der Berufsstand hat große Geschlossenheit demonstriert. Ich denke, auch das hat die AOK Bayern dazu veranlasst, noch einmal das Gespräch mit der KZVB zu suchen.

Teichmann: Dem kann ich mich nur anschließen. Die Fronten waren echt verhärtet. Die AOK Bayern saß nach der Entscheidung des Landesschiedsamtes zunächst am längeren Hebel. Sie hätte sich nicht bewegen müssen, aber sie konnte. Dass wir jetzt ein Ergebnis haben, das sich vom Schiedsspruch unterscheidet, ist ein Beleg dafür, dass die Selbstverwaltung funktioniert und gute Ergebnisse liefern kann.

BZB: Also ein „Happy End“ für das Jahr 2023 – aber wie sieht es 2024 aus?

Kober: Wir sind uns mit der AOK Bayern einig, dass wir auch in diesem Jahr eine Überschreitung der Gesamtvergütung vermeiden wollen. Allerdings weiß niemand, wie sich die Fallzahlen entwickeln. Sofern es keine extremen Abweichungen gibt, müsste die vereinbarte Gesamtvergütung ausreichend sein. Selbstverständlich informieren wir unsere Mitglieder weiterhin im Budgetradar über den Stand der Budgetausschöpfung. Bei den Ersatz- und Betriebskrankenkassen hatten wir 2023 keine Überschreitung, und das dürfte auch 2024 so bleiben.

BZB: Und wie geht es danach weiter?

Schott: Die verschärfte Budgetierung ist laut Gesetz befristet bis zum 31. Dezember dieses Jahres. Über eine Verlängerung muss der Bundestag entscheiden. Doch 2025 ist Wahljahr. Das kann ein Vor- oder Nachteil für uns sein. Einerseits könnte die Bundesregierung, insbesondere die FDP, ein Interesse daran haben, die Ärzte und Zahnärzte nicht noch weiter zu verprellen. Andererseits wären auch weitere Beitragserhöhungen schlecht für die Stimmung im Land. Wie Karl Lauterbach diesen gordischen Knoten durchtrennen will, bleibt sein Geheimnis.

BZB: Gibt es Vorschläge seitens der Zahnärzteschaft, um das Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung auszugleichen?

Teichmann: Ich darf anmerken, dass die Zahnärzte definitiv nicht die Kostentreiber im deutschen Gesundheitswesen sind. Unser Anteil an den Ausgaben der Krankenkassen geht seit Jahren zurück. Deshalb finde ich es zutiefst ungerecht, dass ausgerechnet die Zahnmedizin budgetiert wurde. Ich habe in einem Editorial für das BZB 3/2024 darauf hingewiesen, dass es nicht mehr „alles für alle“ geben kann, wenn der Sozialstaat finanzierbar bleiben soll. Es muss Schluss damit sein, immer neue Leistungen in den Bema zu packen. Die Politik hat uns bereits bei der neuen PAR-Behandlungsstrecke einen ungedeckten Scheck ausgestellt. Ein Festzuschussmodell wie beim Zahnersatz hätte uns viele Probleme erspart.

Schott: Eigentlich ist es nicht die Aufgabe der zahnärztlichen Selbstverwaltung, die GKV-Finanzen zu sanieren. Wenn wir allerdings für politisch verursachte Defizite aufkommen sollen, müssen wir unsere Stimme erheben. Ich schließe mich hier der Bayerischen Staatsregierung an. Sowohl der frühere Gesundheitsminister Klaus Holetschek als auch seine Nachfolgerin Judith Gerlach haben konkrete Vorschläge gemacht, wie man die Milliardenlöcher in der GKV stopfen kann. Der wichtigste ist, dass versicherungsfremde Leistungen zu 100 Prozent gegenfinanziert werden. Das gilt vor allem für die GKV-Beiträge von Bürgergeldempfängern. Hubertus Heil überweist als Bundesarbeitsminister viel zu wenig an den Bundgesundheitsminister. Das Defizit tragen die Kassen und am Ende wir.

Kober: Unser Motto bleibt weiterhin: Mehr GOZ, weniger Bema. Die Solidargemeinschaft kann langfristig nur eine zahnmedizinische Grundversorgung finanzieren. Das zeigt der Blick in andere europäische Länder. Was darunter zu verstehen ist, muss diskutiert werden. Wenn man uns dazu auffordert, sind wir gerne bereit, Reformvorschläge für den GKV-Sachleistungskatalog zu unterbreiten. Die Politik muss aber auch den Mut haben, von den Bürgern mehr Eigenverantwortung einzufordern. Das gilt übrigens nicht nur für die Zahnmedizin: Deutschland liegt mit seinen Gesundheitsausgaben pro Kopf weltweit an dritter Stelle. Bei der Lebenserwartung liegen wir dagegen auf Platz 38. Wir sollten uns Gedanken darüber machen, woran das liegt. Ein gesunder Lebensstil, weniger Alkohol, Tabak und Zucker, das kostet gar nichts und bringt viel.

BZB: Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Leo Hofmeier.