Weit über 1 000 bayerische Zahnärzte und ZFA demonstrierten in München gegen das Praxissterben
„Schluss mit Lücken, Herr Lauterbach! Zahnmedizin braucht Zukunft.“ Unter diesem Motto veranstaltete die Bayerische Landeszahnärztekammer in Zusammenarbeit mit dem Verband medizinischer Fachberufe (vmf), den bayerischen Zahntechniker-Innungen sowie über 20 zahnärztlichen Verbänden und Organisationen am Mittwoch, 12. Juni, auf dem Münchner Marienplatz eine Kundgebung gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Mehr als 1 000 Teilnehmer waren vor Ort und setzten sich – Seite an Seite mit prominenten Vertretern aus der bayerischen Landespolitik – lautstark für faire Bedingungen für Zahnarztpraxen und ihre Praxisteams ein.
Probleme der Zahnärzte vor Augen führen
Ziel der Veranstaltung war, insbesondere auf die überbordende Bürokratie, den anhaltenden Fachkräftemangel, Leistungskürzungen sowie den Aufkauf von Praxen durch Finanzinvestoren und das daraus resultierende Praxissterben aufmerksam zu machen. Unterstützt wurde die Kundgebung von prominenten Vertretern aus der bayerischen Landespolitik. Sowohl der stellvertretende Bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger, MdL, als auch der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Klaus Holetschek, MdL, waren bei der Kundgebung vor Ort und sprachen vor den Teilnehmern. Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach, MdL, war terminlich verhindert und übermittelte eine schriftliche Grußbotschaft (siehe QR-Code im Kasten, Seite 9 im BZB 7+8/2024).
BLZK-Präsident Dr. Dr. Frank Wohl betonte in seiner Einführung die große Bedeutung der Kundgebung: „Die Veranstaltung auf dem Marienplatz war dringend notwendig. Dass Zahnärztinnen und Zahnärzte gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, ist ein starkes Zeichen an die Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Wir brauchen bessere Perspektiven für unsere zukünftige Arbeit und setzen uns für Bürokratieabbau, für die längst überfällige Anpassung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) und gegen den Aufkauf von Praxen durch Finanzinvestoren ein. Denn unsere Patientinnen und Patienten sind die Leidtragenden, wenn für die Praxis am Ort kein Nachfolger in Sicht ist oder wenn der nächste Zahnarzttermin in weiter Ferne liegt, weil die Bürokratie zu viel Behandlungszeit verschlingt. Schon allein das macht mehr als deutlich, warum wir gemeinsam auf die Straße gegangen sind. Uns hat bislang immer ausgezeichnet, dass wir für eine moderne und wohnortnahe zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung in unserer bayerischen Heimat sorgen – das soll auch in Zukunft so bleiben!“
Unterstützung aus der ersten Reihe der Landespolitik
Nach BLZK-Präsident Wohl sprachen unter anderem der stellvertretende Bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger, der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Klaus Holetschek, die Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe, Hannelore König, und der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Prof. Dr. Christoph Benz. Darüber hinaus waren der Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit, Pflege und Prävention im Bayerischen Landtag, Bernhard Seidenath, MdL, und die Zahnärztin Dr. Andrea Behr, MdL, vor Ort und stärkten den bayerischen Zahnärzten bei der Kundgebung und auf dem Podium den Rücken. Vom Verband Freier Berufe (VFB) war außerdem der Ehrenpräsident Dr. Fritz Kempter bei der Kundgebung vor Ort.
Statements der Redner
Hubert Aiwanger, stellvertretender Bayerischer Ministerpräsident und Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie: „Wir dürfen nicht immer mehr Praxen verlieren, wir brauchen bessere Perspektiven auch für junge Zahnärzte! Unsere Bevölkerung hat ein Recht auf beste Versorgung, und die ist in Gefahr! Gerade in den strukturschwachen Regionen gehen in den kommenden Jahren viele Zahnärzte in Rente, ohne dass ein Nachfolger zur Verfügung steht. Deshalb müssen wir die Rahmenbedingungen so setzen, dass eine selbstständige Tätigkeit als Zahnarzt attraktiv bleibt. Ein wesentlicher Faktor ist die längst überfällige Anpassung des GOZ-Punktwertes, aber auch die Erleichterung des Praxisalltages durch Abbau der Bürokratie. Der Bund muss endlich Gesundheitspolitik für die Bevölkerung machen!“
Klaus Holetschek, Vorsitzender der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag: „Bayern steht zu seinen Zahnärztinnen und Zahnärzten – und diese brauchen verlässliche Rahmenbedingungen: Abbau von Bürokratie, angemessene Vergütung, Zukunftsperspektiven für niedergelassene Zahnärzte statt Aufkauf von Praxen durch Finanzinvestoren! Mit einem aktuell eingebrachten Antragspaket der CSU-Fraktion unterstützen wir die so wertvolle Arbeit. Ziel ist es, die Parodontitistherapie und die Arbeit der Kinderzahnärzte weiter zu stärken, einen Kinder- und Seniorenzahnbericht zu erarbeiten, einen Praxiszukunftsfonds auch für Zahnarztpraxen aufzulegen, die Tarifsteigerungen bei den Zahnmedizinischen Fachangestellten zu refinanzieren – und vor allem auch die Gebührenordnung für Zahnärzte endlich anzupassen. Um all das zu finanzieren, braucht es endlich eine echte Reform der Krankenkassenfinanzen. Hier muss die Ampel in Berlin liefern und schnellstmöglich die richtigen Prioritäten setzen.“
Hannelore König, Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe (vmf): „Die derzeitige Situation der Praxen, die Budgetierung, der Personalmangel und die Bürokratie geben Anlass genug, auf die Straße zu gehen und Veränderungen zu fordern. Wir machen das gemeinsam mit den Vertretern der Zahnärzteschaft, weil es uns nur gemeinsam gelingt, gute Arbeitsbedingungen für die Zahnmedizinischen Fachangestellten zu verhandeln, wenn die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schafft.“
Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK): „Stirbt die Hauszahnarztpraxis, kommt die Versorgungslücke. Wenn junge Zahnärztinnen und Zahnärzte immer weniger Lust haben, ihre eigene Praxis zu gründen, hat das einfache Gründe: Zu viel Bürokratie, wichtige Vorbeugungsleistungen werden für viele Patienten nicht bezahlt, überflüssige Investoren-Praxen saugen das Personal ab. Wir müssen alles dafür tun, dass unser Nachwuchs wieder Lust auf die Niederlassung hat, sonst gehen vielerorts die Praxis-Lichter aus.“
Dr. Andrea Behr, MdL, Zahnärztin und Mitglied des Ausschusses für Gesundheit, Pflege und Prävention im Bayerischen Landtag: „Mit Lauterbachs Finanzstabilisierungsgesetz geht die zahnmedizinische Versorgung den Bach runter! Mit Methoden von vorgestern wie der Budgetierung kann man die Probleme von heute und morgen nicht lösen. Wir brauchen einen GOZ-Punktwert, der betriebswirtschaftlich in das Jahr 2024 passt. Lauterbach greift den Zahnärzten in die Tasche – wir greifen ihnen unter die Arme!“
Bernhard Seidenath, MdL und Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit, Pflege und Prävention im Bayerischen Landtag: „14 Zahnarztpraxen schließen jeden Monat in Bayern. Das heißt, dass 7 000 Patienten jeden Monat einen neuen Zahnarzt suchen müssen. Das geht nicht mehr lange gut, wir müssen etwas ändern.“
Abgerundet wurde die Veranstaltung durch eine Podiumsdiskussion, bei der sich unter anderem auch der Vorsitzende von Zukunft Zahnärzte Bayern, Dr. Frank Hummel, äußerte. Hummel wies dabei mit konkreten Beispielen aus der Praxis lautstark auf eine Reihe von Missständen hin, mit denen sich Praxen unnötig herumzuärgern haben: „Wie kann es denn sein, dass bei uns Sterilisationsgeräte aufgestellt werden, die neu aus der Produktion kommen und dann noch für circa 1.000 Euro validiert werden müssen?“ Solche zeit- und kostenaufwendigen Auflagen seien unter anderem Gegenstand von vielen Gesprächen und Diskussionen, die Dr. Hummel als Vorstandsmitglied der BLZK und Kammer-Referent für Praxisführung derzeit mit den verantwortlichen Behörden führt.
Alle Teilnehmer waren sich am Ende der Kundgebung einig: Die Veranstaltung war ein wichtiger Schritt, um geschlossen auf die Probleme der Zahnärzteschaft aufmerksam zu machen. Der Kampf gegen das Praxissterben geht weiter!
Christian Henßel
WEITERES BILDMATERIAL UND VIDEOS
Impressionen von der Kundgebung, der Link zur Grußbotschaft der bayerischen Gesundheitsministerin Judith Gerlach, ein Filmbeitrag sowie ein Videomitschnitt der Veranstaltung in voller Länge stehen auf der BLZK-Website unter www.blzk.de/kundgebung-pressemappe zur Verfügung.
Mehr Infos zur Veranstaltung gibt es unter www.blzk.de/kundgebung.