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„Bei uns ist nichts mehr zu holen“

KZVB-Vertreterversammlung fordert politischen Kurswechsel

Die Vertreterversammlung (VV) der KZVB fordert einen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik. Denn: Wenn jetzt nicht gehandelt werde, sei die flächendeckende zahnmedizinische Versorgung nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Vor allem die Wiedereinführung der strikten Budgetierung ist aus Sicht der Delegierten ein grundfalsches Signal – gerade an die jungen Kolleginnen und Kollegen, auch wenn Bayern, wie es Dr. Rüdiger Schott bereits in der letzten Ausgabe des BZB ausdrückte, „noch einmal davongekommen ist“. Denn anders als in den meisten anderen Bundesländern kommt es hierzulande noch nicht zu Budgetüberschreitungen. Grund dafür sind die Vergütungsvereinbarungen, die die KZVB mit allen großen Krankenkassen abschließen konnte.

Wie wichtig diese Einigung auf dem Verhandlungsweg war, machte Dr. Jens Kober deutlich, der innerhalb des Vorstands der KZVB für die Abrechnung zuständig ist: „Bei der AOK Bayern drohte für das Jahr 2023 eine Budgetüberschreitung in Millionenhöhe. Es ist uns buchstäblich in letzter Minute gelungen, dieses Loch zu stopfen und die bayerischen Vertragszahnärzte vor Rückbelastungen zu bewahren.“ Kober führte dies unter anderem auf den bayerischen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) zurück, der den Mangel im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar mache. „Die maximale Transparenz, die unser HVM in Verbindung mit dem Budgetradar liefert, hat den bayerischen Zahnärzten eine böse Überraschung erspart“, so Kober.

Die stellvertretende KZVB-Vorsitzende Dr. Marion Teichmann schilderte drastisch, wie sich die Budgetierung außerhalb Bayerns bereits auswirkt. So berichtete die Tageszeitung „Die Welt“ über eine Zahnärztin aus Berlin, die einen fünfstelligen Betrag an ihre KZV zurückzahlen musste. „Das ist skandalös, das ist beschämend, aber Berlin ist leider fast überall. Rund 80 Prozent der Praxen in Deutschland sind bereits von der Budgetierung betroffen“, so Teichmann. Dieses planwirtschaftliche Steuerungsinstrument richte viel Schaden an, löse aber nicht das Problem der Unterfinanzierung des Gesundheitswesens. Die 120 Millionen, die der Bundesgesundheitsminister 2023 aus dem Berufsstand herausgequetscht hat, seien noch nicht einmal der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. „Der Anteil der Zahnmedizin an den GKV-Gesamtausgaben geht seit Jahren zurück. Ohne Zahnersatz liegt er gerade noch bei 4,7 Prozent. Bei uns ist nichts mehr zu holen“, sagte Teichmann und bekam dafür viel Beifall von den Delegierten. Für die stellvertretende KZVB-Vorsitzende ist klar: Für begrenzte Mittel könne es nur begrenzte Leistungen geben. „Für mich hat das alles sozialistische Züge. Das spiegelt sich ja sogar schon in den Namen der Gesetze wider! „Terminservice- und Versorgungsgesetz“ – welches Gesetz hat denn jemals die Versorgung verbessert? Die Versorgung sichern nur wir – die niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzte“, so Teichmann, die auch von der Zwangs-Digitalisierung des Gesundheitswesens wenig hält. „Wenn Karl Lauterbach den Ausbau der gematik zur Digitalisierungsagentur mit hoheitlichen Befugnissen plant, schrillen bei mir die Alarmglocken. Staatlicher Zwang kann nicht die Lösung für die deutschen Digitalisierungsdefizite sein. Ich kann nur hoffen, dass möglichst viele Versicherte der ePA in der jetzt geplanten Form widersprechen. Und ich hoffe, dass der Einführungstermin 15.2.2025 noch einmal verschoben wird. Zu viele Fragen sind offen, die Sicherheit hochsensibler Daten ist nicht garantiert.“

Die VV der KZVB fasste in ihrer Sitzung am 12. Juli eine Reihe politischer Beschlüsse und fordert unter anderem die sofortige Abschaffung der Budgetierung in der gesetzlichen Krankenversicherung.


Der KZVB-Vorsitzende Dr. Rüdiger Schott schilderte, wie es zu der für viele überraschenden Einigung mit der AOK Bayern kam. Die Öffentlichkeitsarbeit der KZVB habe dabei eine wichtige Rolle gespielt. Er dankte den bayerischen Vertragszahnärzten für die Geschlossenheit, die sie während den Vergütungsverhandlungen gezeigt hatten. Die gütliche Einigung zwischen der KZVB und der größten in Bayern tätigen Krankenkasse beweise, dass die Selbstverwaltung gute Ergebnisse erzielen könne. Allerdings nur, wenn ihr die Politik die dafür nötigen Handlungsspielräume lasse. Doch dieser Erfolg sei nicht beliebig wiederholbar. Früher oder später wirke sich die Budgetierung auch in Bayern aus. Zudem sei die KZVB solidarisch mit den Kollegen in anderen KZV-Bereichen, die bereits von Rückzahlungen betroffen seien. Für Schott ist deshalb klar: „Die Budgetierung gehört in die Mülltonne. Auch aus wirtschaftlichen Gründen. Denn: Wenn Vorsorgeuntersuchungen oder eine indizierte PAR-Behandlung wegen der Budgetierung nicht durchgeführt werden, führt das zu Folgeschäden, die für die Krankenkassen teuer und für die Versicherten schmerzhaft sind.“

Dr. Jürgen Welsch, Vorsitzender der Vertreterversammlung der KZVB, schloss sich der Kritik an der Gesundheitspolitik der Ampelkoalition an. Er warnte vor einem „Marsch in die Staatsmedizin“. Die VV forderte die Bundesregierung deshalb dazu auf, die Handlungs- und Gestaltungsspielräume der Selbstverwaltung zu stärken.

Leo Hofmeier


Beschlüsse der KZVB-Vertreterversammlung

Die Vertreterversammlung (VV) der KZVB fasste in ihrer Sitzung am 12. Juli mehrere politische Beschlüsse, die wir in Auszügen veröffentlichen.

Kurswechsel in der Gesundheitspolitik
Die VV fordert die Bundesregierung auf, einen Kurswechsel in ihrer Gesundheitspolitik einzuleiten, die Krise in der zahnärztlichen Versorgung zu stoppen und wieder zu einer Politik
zurückzukehren, die eine präventionsorientierte zahnmedizinische Versorgung ermöglicht,
die die Niederlassung von Zahnärztinnen und Zahnärzten in eigener Praxis fördert und
die Sicherstellung einer wohnortnahen und flächendeckenden Versorgung gewährleistet.
Die Politik muss sich endlich wieder zu ihrer Mitverantwortung für die Aufrechterhaltung
der zahnmedizinischen Versorgung bekennen und entsprechend handeln.

Selbstverwaltung und Freiberuflichkeit stärken
Die VV fordert die Bundesregierung dazu auf, zu einer Politik zurückzukehren, die sich klar
und eindeutig zu Selbstverwaltung und Freiberuflichkeit als Eckpfeiler der Gesundheitsversorgung bekennt. Jegliche Überlegungen, die darauf abzielen, die bewährten Strukturen
unseres selbstverwalteten Gesundheitssystems in Richtung einer vom Reißbrett geplanten,
zentralistisch diktierten Staatsmedizin umzubauen, lehnt die Vertreterversammlung vehement ab.

Maßnahmen zur Verhinderung einer zahnärztlichen Unterversorgung
Die VV erkennt drohende Defizite in der zahnärztlichen Versorgung in Deutschland.
Hauptursache ist neben einer problematischen Altersstruktur der niedergelassenen Zahnärzteschaft bei gleichzeitig erhöhtem Behandlungsbedarf […] vor allem die im Vergleich
zu vorangegangenen Generationen deutlich reduzierte Behandlungskapazität, die heutige
Studienabgänger zur Verfügung stellen. Die KZVB bietet der Bayerischen Staatsregierung
ihre Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Konzepten zur Studienplatzvergabe anhand relevanter Schlüsselqualifikationen, zu Anpassungen der Kapazitätsverordnung, zur
Steigerung der Attraktivität der Niederlassung im ländlichen Bereich sowie weiterer geeigneter Maßnahmen zur Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung in Bayern an.