Die Budgetierung wirkt sich in Bayern derzeit noch nicht auf die Praxen aus. Dennoch fordert der Vorstand der KZVB die sofortige Abschaffung. „Alle Zahnärzte in Deutschland haben Anspruch darauf, dass ihnen die erbrachten Leistungen vollumfänglich vergütet werden“, sind sich Dr. Rüdiger Schott, Dr. Marion Teichmann und Dr. Jens Kober einig.

„Bayern ist nochmal davongekommen“

Budgetierung wirkt sich in fast allen Bundesländern aus

Lauterbach wirkt – die Stimmung im zahnärztlichen Berufsstand war noch nie so schlecht wie im Jahr drei der Ampelkoalition. Das zeigt eine Umfrage der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) auf Seite 15. Vor allem die Wiedereinführung der strikten Budgetierung trifft die Praxen hart. Wir sprachen mit dem Vorstand der KZVB darüber, warum Bayern (noch) besser dasteht als die meisten anderen Bundesländer.

BZB: Im Juni fand die Vertreterversammlung der KZBV in Frankfurt am Main statt. Wie war die Stimmung?

Teichmann: Ich bin zwar erst seit eineinhalb Jahren Mitglied des Vorstands der KZVB, aber ich habe mich auch davor schon standespolitisch engagiert. Die Stimmung innerhalb des Berufsstandes ist auf einem absoluten Tiefpunkt angekommen. Es überrascht mich nicht, dass sich mehr als die Hälfte der Kollegen nicht mehr niederlassen würde. Den Frust und die Wut über die aktuelle Gesundheitspolitik hat man auch in Frankfurt deutlich gespürt.

BZB: Wäre es nicht die Aufgabe der Standespolitik, die Politik auf Fehlentwicklungen hinzuweisen?

Kober: Das haben wir in aller Deutlichkeit getan. Als die ersten Entwürfe für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz bekannt wurden, sammelten wir bundesweit Unterschriften und schickten die Listen an Karl Lauterbach. Im September 2023 demonstrierten wir am Brandenburger Tor in Berlin. Die KZVB hat jeden Parteitag in Bayern besucht und dort auf die Folgen einer verfehlten Gesundheitspolitik hingewiesen. Der Erfolg war gleich Null.

Schott: Ich darf auch an die Petition für eine Erhöhung des GOZ-Punktwertes erinnern, die ich zusammen mit dem Kollegen Dr. Claus Durlak im Deutschen Bundestag eingebracht habe. Sie wurde Mitte Juni mit den Stimmen der Ampelkoalition vom Tisch gewischt. Ich muss ernüchtert feststellen: Der Berufsstand hat unter dieser Bundesregierung keine Lobby. Wir müssen uns selbst helfen.

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BZB: Wie kann diese Selbsthilfe aussehen?

Schott: Das beste Beispiel für „Help Yourself“ sind die Vergütungsverhandlungen, die die KZVB geführt hat. Wir konnten bei allen großen Kassen Budgetüberschreitungen und Honorarkürzungen vermeiden. Den bayerischen Vertragszahnärzten werden bei den Ersatzkassen, den Betriebskrankenkassen und bei der AOK Bayern alle in 2023 erbrachten Leistungen vollumfänglich vergütet. Wir sind nochmal glimpflich davongekommen.

BZB: Und wie schauts im laufenden Jahr aus?

Kober: Prognosen sind zwar bekanntlich schwierig, wir wagen sie aber trotzdem. Das Budgetradar informiert die Praxen tagesaktuell über den Stand der Budgetausschöpfung. Aktuell sind die Balken bei fast allen Kassen blau. Budgetüberschreitungen sind unwahrscheinlich. Wenn das Abrechnungsverhalten auf dem Niveau der Vorjahre bleibt, bleiben den Praxen auch 2024 Rückbelastungen erspart.

BZB: Wie ist die Lage in den anderen Bundesländern?

Schott: Deutlich schlechter als in Bayern! Aktuellen Zahlen zufolge sind bundesweit knapp 80 Prozent der Praxen von der Budgetierung betroffen. Viele Kollegen haben bereits Kürzungsbescheide in fünfstelliger Höhe erhalten. Das wirkt sich natürlich verheerend auf die Niederlassungsbereitschaft aus. Kein junger Kollege wird sich für die Gründung oder Übernahme einer Praxis entscheiden, wenn die Vergütung nicht vollumfänglich garantiert ist. Es droht ein Praxissterben ungeahnten Ausmaßes.

BZB: Warum steht Bayern besser da?

Kober: Wir haben einen Honorarverteilungsmaßstab, der den Mangel sichtbar macht. Die Praxen können rechtzeitig gegensteuern. Wie das geht, haben wir 2023 den Kolleginnen und Kollegen bei bayernweiten Infoveranstaltungen erläutert. „Mehr GOZ, weniger Bema“, daran haben sich die meisten gehalten und das wirkte sich natürlich positiv auf die Budgetsituation aus.

Teichmann: Wichtig war aber auch die Geschlossenheit des Berufsstandes während der Vergütungsverhandlungen mit der AOK Bayern. Dafür möchte ich mich im Namen des gesamten Vorstands herzlich bedanken. Die größte in Bayern tätige Krankenkasse hat erkannt, dass auch sie einen Beitrag zum Erhalt der flächendeckenden Versorgung leisten muss.

BZB: Wie blicken die anderen Bundesländer auf Bayern?

Schott: Aktuell ist die KZVB bundesweit die Benchmark. Wir haben gezeigt, dass man toxische Gesetze aus Berlin vor Ort entschärfen kann und sind bei den Vergütungsverhandlungen an die Grenzen des gesetzlich Zulässigen gegangen. Die Erhöhung der Punktwerte und der Budgets musste ja 2024 um 1,5 Prozentpunkte niedriger ausfallen als die ohnehin niedrige Grundlohnsummensteigerung. Das halten wir auch in Bayern nicht mehr lange durch. Die Budgetierung muss weg! 2025 endet die Amtszeit dieser Bundesregierung. Die nächste Bundestagswahl ist auch eine Entscheidung über die Zukunft unseres Gesundheitswesens.

Kober: Ich habe bei Terminen außerhalb Bayerns auch viel Lob und Anerkennung für unseren „bayerischen Weg“ erfahren. Es darf aber eigentlich keine Rolle spielen, wo man den Beruf ausübt. Alle Zahnärzte in Deutschland haben Anspruch darauf, dass ihnen alle erbrachten Leistungen vollumfänglich vergütet werden. Die Budgetierung ist ein planwirtschaftliches Steuerungsinstrument. Damit lässt sich das Finanzierungsproblem des Gesundheitswesens nicht lösen.

Teichmann: Der Blick in andere Bundesländer zeigt auch, dass die Gesundheitspolitik der Ampelkoalition den freiberuflich tätigen Zahnarzt zum Auslaufmodell macht und den Konzentrationsprozess fördert. In den ostdeutschen Bundesländern sind bereits ganze Landstriche zahnmedizinisch unversorgt. Die Budgetierung wurde zwar schon 1992 vom damaligen Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer eingeführt, aber damals gab es nicht die Alternative, sich in einem MVZ anstellen zu lassen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Politik gar keine Freiberufler mehr will. Dann soll sie das aber auch ehrlich sagen und uns nicht am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Bis 2028 erreicht fast ein Viertel der Praxisinhaber in Bayern das Ruhestandsalter. Wenn sie keinen Nachfolger finden, gehen im ländlichen Raum die Lichter aus.

BZB: Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Leo Hofmeier.