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Aus der Traum …

BSG erteilt beliebtem MVZ-Modell eine Absage

Bis vor Kurzem konnten sich Gesellschafter von MVZ-Trägern auch im eigenen MVZ als Zahnarzt anstellen lassen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat dies nun für generell unzulässig erklärt. Zahnärzte können demnach nicht mehr ohne Weiteres auf Gesellschafterebene agieren und zugleich die Rolle eines angestellten Zahnarztes spielen, der weisungsgebunden und abhängig sein muss. Der Korridor ist eng, innerhalb dessen ein Nebeneinander von Gesellschafter- und Angestelltendasein denkbar bleibt.

Viele inhabergeführte MVZ entstanden bislang durch „Umwandlung“ bestehender Einzelpraxen, häufig in Vorbereitung auf eine Praxisübergabe oder -ausweitung. Zu diesem Zweck wurde eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet, die mit einem einzigen Gesellschafter auskommt – eine so genannte „Ein-Mann-GmbH“. Die Rolle des Gesellschafters übernahm selbstredend der Praxisinhaber, der zunächst noch Vertragszahnarzt in freier Praxis blieb und aus diesem Status heraus ein MVZ in Trägerschaft der Ein-Mann-GmbH gründete. Im nächsten Schritt konnte der Praxisinhaber seine Praxis an die MVZ-Trägergesellschaft veräußern. Der Clou: Für diese Transaktion fiel keine Umsatzsteuer an, wenn die Voraussetzungen für eine „Geschäftsveräußerung im Ganzen“ vorlagen. Dies ist vereinfacht gesagt nur dann der Fall, wenn der veräußernde Zahnarzt nicht weiter als freiberuflicher Unternehmer, sondern von nun an als Angestellter im MVZ tätig war. Ergo ließ sich der Alleingesellschafter der Trägergesellschaft nun im frisch gegründeten MVZ anstellen und war fortan zugleich Gesellschafter, Geschäftsführer und angestellter Zahnarzt im neu entstandenen Unternehmen. Veräußerte der Zahnarzt später seine Anteile an der Gesellschaft, war dies ebenfalls umsatzsteuerfrei möglich.

DIE KERNBOTSCHAFT LAUTET:
Wer als Gesellschafter die Geschicke des Unternehmens und seiner Angestellten lenkt, kann nicht gleichzeitig als angestellter Zahnarzt im MVZ tätig sein. Denn dieser Status setzt voraus, dass der Zahnarzt ein abhängig beschäftigter Arbeitnehmer ist. Das ist er nicht, wenn er auf anderer Ebene Beschlüsse herbeiführen kann, die ihm als „Arbeitnehmer“ zum Vorteil gereichen (Gehaltserhöhung) oder er umgekehrt Beschlüsse blockieren kann, die ihm unlieb sind (Kündigung).

Die Gleichzeitigkeit von Arbeitnehmer- und Gesellschafterstellung wird darüber hinaus vereinzelt als Mittel zum Zweck der direkten Teilhabe angestellter Zahnärzte am wirtschaftlichen Ergebnis ihres Arbeitgebers gewünscht. Durch Beteiligung an der MVZ-Trägergesellschaft sollen sie direkt an der Gewinnausschüttung partizipieren, ohne jedoch den Risiken des Freiberuflerdaseins ausgesetzt zu sein.

Beide Konzepte fußen auf einer Zwitterstellung (einerseits Gesellschafter, andererseits angestellter Zahnarzt), die nicht mehr ohne Weiteres eingenommen werden kann.

Das bedeutet nicht, dass Gesellschafter- und Angestelltenstatus sich künftig per se unvereinbar gegenüberstehen. Entscheidend ist der Grad der Rechtsmacht, die der fragliche Arbeitnehmer als Gesellschafter innehat. Ist ausgeschlossen, dass er ein wesentliches Mitspracherecht in Punkten hat, die ihn in seiner Rolle als Arbeitnehmer betreffen, steht einem Doppelstatus als angestellter Zahnarzt und Trägergesellschafter nichts im Wege.

Yin und Yang

Mit der Entscheidung (Az. B 6 KA 2/21 R) schuf das BSG das passende Gegenstück zu seiner Rechtsprechung zum „Freiberufler-MVZ“, in dem der Vertragszahnarzt seine Zulassung im MVZ aufrechterhält. In dieser Konstellation ist die Freiberuflichkeit konsequenterweise nur dann anzuerkennen, wenn der fragliche Vertragszahnarzt über seine bloße Gesellschafterstellung hinaus auch die Rechtsmacht besitzt, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist dem BSG zufolge bei einem Gesellschafter anzunehmen, der mit mindestens 50 Prozent an der Trägergesellschaft beteiligt ist oder aber nach dem Gesellschaftsvertrag über eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität verfügt (vgl. BSG Urteil vom 29.11.2017, Az. B 6 KA 31/16 R).

TIPP
Zur Vermeidung von Hektik in letzter Minute, empfehlen wir Ihnen, sich frühzeitig mit der Geschäftsstelle Ihres Zulassungsausschusses in Verbindung zu setzen, um die Möglichkeiten einer Anstellung oder Zulassung im MVZ bei gleichzeitiger Gesellschafterstellung zu besprechen.

Berater ratlos

Auch wenn die Veröffentlichung der Urteilsgründe schon ein wenig zurückliegt, herrscht noch große Unsicherheit, welche Konstellationen noch genehmigungsfähig sind und welche nicht. Dies gilt nicht nur für Zahnärzte und MVZ-Betreiber sondern auch für deren Berater. Entsprechend häufig erreichen die Rechtsabteilung der KZVB entsprechende Anfragen.

Zur Verunsicherung trägt vermutlich bei, dass die Urteilsgründe redaktionelle Unschärfen enthalten, die viel Raum für Interpretation lassen. Außerdem geht aus ihnen nicht klar hervor, auf welche Facetten der entscheidungsgegenständlichen Konstellation das Gericht sein Ergebnis stützt – und auf welche nicht.

Der Entscheidung zugrunde lag ein MVZ in Trägerschaft einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die über zwei Gesellschafter verfügte, die gleichzeitig Geschäftsführer waren. Die Beteiligungsquoten der Gesellschafter betrugen je 50 Prozent. Der Rechtsstreit entbrannte über eine vom Zulassungsausschuss abgelehnte Anstellungsgenehmigung für einen der Gesellschafter.

Teile der Urteilsgründe deuten darauf hin, dass es dem Gericht maßgeblich darauf ankommt, ob ein angestellter Zahnarzt Gesellschafter ist, wobei es auf die Frage der Geschäftsführung nicht ankommt. An anderer Stelle scheint es dagegen so, als wolle es nur die Kumulierung aus Gesellschafter-, Geschäftsführer- und vermeintlichem Arbeitnehmerstatus beanstanden. So ist im Urteil beständig die Rede vom „Gesellschafter-Geschäftsführer“, der sich anstellen lassen will. Soweit stellenweise durchscheint, dass die Installation eines Fremdgeschäftsführers (also eines Geschäftsführers, der nicht zugleich Gesellschafter ist) eine Anstellung von Gesellschaftern ungeachtet deren Rechtsmacht grundsätzlich ermögliche, teilt die KZVB diese Ansicht nicht: Auch ein Fremdgeschäftsführer, dem sämtliche Personalentscheidungen über die Angestellten des MVZ (und damit auch über die Gesellschafter, soweit diese angestellte Zahnärzte im MVZ sein wollen) übertragen wurden, können diese Befugnisse jederzeit wieder durch die Gesellschafterversammlung entzogen oder der Fremdgeschäftsführer ausgewechselt und seine Entscheidungen rückgängig gemacht werden, sodass letztlich doch wieder die „angestellten“ Gesellschafter das Sagen haben, sobald ihnen Entscheidungen des Geschäftsführers missfallen, die ihre Person als Angestellte betreffen.

Ein anderes Missverständnis geht darauf zurück, dass dem entscheidungsgegenständlichen MVZ die Rechtsform einer GbR anhaftete, wovon Manche eine nur eingeschränkte Übertragbarkeit auf die in Bayern vorherrschende Rechtsform der GmbH ableiten. Diesen Spekulationen gibt die Entscheidung leider Nahrung. Aus Sicht der KZVB kann es auf die Rechtsform jedoch nicht ankommen, da diese an der entscheidenden Stelle (Rechtsmacht über die Angestellten) keinen wesentlichen Unterschied macht.

Ebenso wenig klarheitsfördernd ist, dass der Senat die Urteilsbegründung dafür nutzt, seine bis dato eingenommenen Haltungen zum Thema Anstellung und Selbstständigkeit rückschauartig darzustellen und an all jenen Punkten miteinander in Einklang zu bringen sucht, an denen er den Vorwurf einer Inkonsistenz gegenüber seiner jüngsten Entscheidung antizipiert.

Auf den Punkt gebracht

Nur derjenige kann noch angestellter Zahnarzt im MVZ sein, der nicht auf anderer Ebene seine eigenen Geschicke als „Arbeitnehmer“ lenkt. Dann nämlich ist er nicht mehr „abhängig beschäftigt“, wie es das maßgebliche Sozialversicherungsrecht für Arbeitnehmer vorsieht.

Wo genau die Grenze verläuft, lässt sich nicht pauschal sagen. Dass im Anstellungsvertrag eines fraglichen Arbeitnehmers typisch arbeitsvertragliche Regelungen enthalten sind – etwa monatliches Gehalt, bestimmter Tätigkeitsumfang, regelmäßige Arbeitszeiten, Entgeltfortzahlung bei Krankheit, Jahresurlaub usw. – spielt dabei regelmäßig keine Rolle. Auch die Betitelung des Vertrages als „Arbeitsvertrag“ ist Schall und Rauch. Wichtig ist, was in den Statuten des Gesellschaftsvertrages (GmbH: „Satzung“) steht: Sitzt der Anzustellende gleichzeitig in der Gesellschafterversammlung, spricht das per se schon einmal dafür, dass er Entscheidungen, die seine Person als Arbeitnehmer betreffen (etwa Weisungen, Abmahnungen, Kündigung, Gehaltserhöhungen etc.), maßgeblich beeinflussen kann. Dies ist jedoch nicht zwingend. Ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag, dass der Betreffende keine Rechtsmacht besitzt, die es ihm erlaubt, über Wohl und Wehe der Belegschaft (inklusive seiner Selbst) zu bestimmen, steht seine Stellung als Gesellschafter einer Anstellung tendenziell nichts entgegen.

Maximilian Schwarz

Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)

Stv. Leiter des Geschäftsbereiches Recht und Verträge