„Wir lassen niemanden verhungern, aber es wird schwieriger, sich überdurchschnittlich viel aus dem Honorartopf zu nehmen“, meint Dr. Jens Kober mit Blick auf die neue WP-Formel.
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„Die neue Formel war zwingend erforderlich“

Warum die Selbstverwaltung handeln musste

Dr. Jens Kober ist innerhalb des Vorstands der KZVB für die Abrechnung zuständig. Wir sprachen mit ihm über die neue WP-Formel.

BZB: Die Standespolitik spricht im Zusammenhang mit investorenfinanzierten MVZ gerne von Heuschrecken. Um im Bild zu bleiben: Geht den Heuschrecken mit der neuen Formel für die Wirtschaftlichkeitsprüfung (WP-Formel) das Futter aus?

Kober: (lacht) Wir werden niemanden verhungern lassen, aber es wird schwieriger, sich überdurchschnittlich viel aus dem Honorartopf zu nehmen. Aktuell ist es noch so, dass iMVZ 20 bis 30 Prozent mehr pro Fall abrechnen als Einzel- oder Gemeinschaftspraxen. Sie liefern aber meist keine plausible Begründung, woran das liegt.

BZB: Und die neue Formel ist rechtlich zulässig?

Kober: Sie ist nicht nur zulässig, sie war sogar zwingend notwendig. In einem Urteil des Sozialgerichts München wurde festgestellt, dass die „alte“ Berechnungsmethode kleinere Praxen benachteiligt hat. Großpraxen und MVZ waren in der WP systematisch bessergestellt. Wir wurden vom Sozialgericht sogar dazu aufgefordert, die Wirtschaftlichkeitsprüfung „transparenter und nachvollziehbarer“ zu machen. Die KZVB und die Krankenkassen mussten also handeln. Die neue Formel wurde in Zusammenarbeit mit der Universität Augsburg entwickelt und wirkt sich vor allem auf besonders große und besonders kleine Praxen aus. Für die Durchschnittspraxen, die die große Mehrheit darstellen, ändert sich hingegen nichts.

BZB: Was verstehen Sie unter großen und kleinen Praxen?

Kober: Große Praxen haben mindestens das Dreifache der durchschnittlichen Fallzahl, kleine Praxen weniger als ein Drittel.

BZB: Können Sie die neue Formel so erklären, dass man sie auch ohne Mathe-Leistungskurs versteht?

Kober: Viel wichtiger als die Formel ist ihre Wirkung. Und die kann ich Ihnen auch als Zahnarzt in einem Satz erklären. Große Praxen fallen schneller in die Unwirtschaftlichkeit als bisher, kleine Praxen hingegen seltener. Natürlich erhalten alle betroffenen Praxen eine Anlage zu ihrer Gesamtübersicht. Dort wird die individuelle Grenze zur Unwirtschaftlichkeit direkt ausgewiesen.

BZB: Und welchen Nutzen hat eine kleine Einzelpraxis davon?

Kober: Besonders kleine Praxen hatten bislang häufig die Schwierigkeit, dass wenige aufwendige Fälle ihre Statistik erheblich nach oben verzerrten. Sie waren dann vom Damoklesschwert der Unwirtschaftlichkeit bedroht. Diese Ungerechtigkeit haben wir nun beseitigt.

BZB: Haben Sie die MVZ-Betreiber schon über die neue Formel unterrichtet?

Kober: In der Tat haben wir den größten MVZ-Betreibern angekündigt, dass wir die neue Berechnungsmethode bald „scharfschalten“ werden. Wir hoffen, dass sich das auf das Abrechnungsverhalten auswirkt.

BZB: Rechnen Sie mit Klagen?

Kober: Tatsächlich hoffe ich auf Einsehen. Wenn ein investorenfinanziertes MVZ schlüssig darlegen kann, warum es deutlich höhere Fallwerte als der bayerische Durchschnitt hat, so bin ich der Letzte, der dies nicht anerkennen würde. Falls eine Großpraxis oder ein MVZ dennoch klagt, bin ich zuversichtlich, dass die Sozialgerichte unserer Argumentation folgen. Die neue Formel ist ja wie schon erwähnt eine Folge eines früheren Gerichtsurteils.

BZB: Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Leo Hofmeier.