KBV-Chef Dr. Andreas Gassen stieß mit seiner Forderung nach einem Ausfallhonorar durch die gesetzliche Krankenversicherung auf Widerspruch. Doch Ärzte und Zahnärzte dürfen Patienten durchaus eine Rechnung schicken, wenn diese einen Termin unentschuldigt nicht wahrnehmen.
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Wer den Schaden hat …

Unter welchen Voraussetzungen ist ein Ausfallhonorar zulässig?

Mit seiner Forderung nach einem Ausfallhonorar für nicht abgesagte Arzttermine stieß der Vorsitzende des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dr. Andreas Gassen erwartungsgemäß auf Widerstand. Für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist das der „falsche Weg“. Doch die Diskussion ist ein Schattenboxen, denn Ärzte und Zahnärzte können Patienten, die ihren Termin unentschuldigt nicht wahrnehmen, sehr wohl eine Rechnung schicken – auch ohne das Placet des Bundesgesundheitsministers.

Die Crux an Gassens Vorschlag lag darin, dass er ausgerechnet die klammen Krankenkassen für einen Schaden in Haftung nehmen wollte, der durch Patienten verursacht wird. Man muss kein Freund von Lauterbach sein, um ihm ausnahmsweise Recht zu geben. Die Krankenversicherung ist keine Haftpflichtversicherung – und selbst die greift bei grober Fahrlässigkeit meist nicht.

Viel sinnvoller ist es, auch bei verpassten Terminen auf die Eigenverantwortung der Patienten zu setzen. Wie Ärzte und Zahnärzte zu ihrem Geld kommen – sofern sie das auch wollen –, erklären wir in diesem Beitrag, der erstmals im BZBplus 5/2024 erschienen ist.

Mit der Frage, ob und falls ja, in welcher Höhe ein sogenanntes Ausfallhonorar oder Schadensersatz geltend gemacht werden kann, haben sich bereits mehrere Gerichte beschäftigt.

Grundsätzlich bejaht die Rechtsprechung ein solches Ausfallhonorar – allerdings nur unter bestimmten und sehr strengen Voraussetzungen.

So hat beispielsweise das OLG Stuttgart entschieden, dass die bloße Terminvereinbarung nicht zu einem vertraglich fest vereinbarten Behandlungstermin führt. Denn die Rechtsprechung geht davon aus, dass Terminvereinbarungen grundsätzlich nur organisatorischen Charakter in Bezug auf einen geordneten Behandlungsablauf der Praxis haben. Beide Seiten – also weder der Patient noch der Arzt – wollen sich hier tatsächlich auf einen vertraglich fixierten Zeitpunkt festlegen. Denn dies würde einen Zahnarzt zum Beispiel auch dem möglichen Risiko eines Schadensersatzes in Form eines Verdienstausfalles aufseiten des Patienten bei besonders langen Wartezeiten aussetzen.

Anders liegt der Fall jedoch bei den sogenannten Bestellpraxen, zu denen üblicherweise auch Zahnarztpraxen zählen und in der die Patienten fast ausschließlich mit einem vorher vereinbarten Termin erscheinen. Für diese bedeutet ein Terminausfall auch einen Verdienstausfall. Der Zahnarzt muss allerdings nachweisen können, dass die kurzfristige Terminabsage (weniger als 24 Stunden) bzw. das Nichterscheinen zum Termin kausal für den Verdienstausfall war. Hieran sind hohe Anforderungen zu stellen. Der Zahnarzt muss im Zweifel darlegen, dass es ihm nicht möglich war, innerhalb der vereinbarten Zeit einen anderen Patienten zu behandeln bzw. einzubestellen und ihm dies hingegen bei rechtzeitiger, vereinbarungskonformer Absage möglich gewesen wäre. Weiter, so die Gerichte, kommt es auch auf die konkrete Art des Termines an. So planen gerade Zahnärzte für gewisse Behandlungen einen entsprechend längeren Termin mit beispielsweise Röntgen, OP-Vorbesprechungen, Implantaten etc. ein. Fällt dann ein solcher zeitlich intensiver Termin aus, kann er diesen nicht ohne Weiteres kurzfristig durch einen anderen Patienten kompensieren. Der Zahnarzt erleidet hier einen echten Schaden, da ihm das zahnärztliche Honorar für diesen Patienten entgeht.

Ermittlung des Ausfallschadens

Die Ansichten in der Literatur und der Rechtsprechung, wie der beim Zahnarzt eingetretene Schaden zu ermitteln ist, gehen auseinander. Es stellt sich hier die Frage, ob im Fall des Nichterscheinens oder einer kurzfristigen Terminabsage ein Anspruch auf das entgangene Behandlungshonorar oder sogar ein Schadensersatz besteht.

Nach einer Auffassung ist zur Schadensermittlung die Höhe des Honorars für die im konkreten Fall geplante Behandlung heranzuziehen. Nach anderer Auffassung ist die Schadenshöhe nach einem im Durchschnitt zu erwirtschaftenden Honorar zu ermitteln. Hierbei erfordert der Nachweis vor Gericht unter Umständen die Vorlage einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation oder Ähnliches. Beweisbelastet ist hier stets der behandelnde Zahnarzt.

Wie gehen Sie am besten mit dem Ausfall von Patienten ohne vorherige Absage um?

Wir empfehlen, eine Vereinbarung über ein Ausfallhonorar ggf. auf bestimmte Termine zu beschränken, welche zeitaufwendig sind und einer festen Terminplanung bedürfen (Implantate etc.). Auch darf eine Vereinbarung über ein Ausfallhonorar nicht für medizinische Notfälle oder Schmerzpatienten gelten. Zudem muss die Vereinbarung berücksichtigen, dass eine unverschuldete kurzfristige Absage, etwa wegen Krankheit, nicht zur Zahlung eines Ausfallhonorars führt.

Ausschluss des Ausfallhonorars

Eine einvernehmliche Terminänderung auf einen späteren Zeitpunkt, wie beispielsweise durch einen frühzeitigen Anruf des Patienten in der Praxis, schließt ein Ausfallhonorar aus. Des Weiteren ergibt sich eine erhebliche Problematik in Bezug auf Neupatienten: Ein Ausfallhonorar setzt eine wirksame vorherige schriftliche Vereinbarung über die Verbindlichkeit von Terminen voraus. Für Neupatienten und eine Ersatzpflicht für den ersten säumigen Termin ist zu beachten, dass diese Vereinbarung vor der Terminvergabe und damit vor einem ersten persönlichen Kontakt in der Praxis geschlossen werden muss. Unabhängig davon kann es bei Neupatienten schwierig sein, das entgangene Ausfallhonorar zu bestimmen, wenn sich die ausgefallene zahnärztliche Behandlungsleistung nicht konkretisieren lässt. Bei diesen dürfte die Durchsetzung des Ausfallhonorars äußerst problematisch sein.

Vereinbarungen über ein Ausfallhonorar sind also nicht ganz ohne Risiko. Die Höhe der Ausfallpauschale sollte grundsätzlich einen Betrag von 50 Euro nicht übersteigen. Bei Bestandspatienten wird der Zahnarzt immer abwägen müssen, welche Reaktionen ein Ausfallhonorar beim Betroffenen auslöst. Letztlich entscheidet der Praxisinhaber, ob und bei wem er zu diesem Mittel greift. Und das ist gut so!

So könnte eine rechtssichere Vereinbarung für ein Ausfallhonorar aussehen:


Redaktion