So viel wie nötig …

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit trat am 27. Februar eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes in Kraft. Asylbewerber haben demnach erst nach dem 36. Monat ihres Aufenthalts in Deutschland Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Davor waren es 18 Monate.

Gerade für die zahnmedizinische Versorgung hat das weitreichende Folgen. Der Leistungsumfang für Asylbewerber ist in Bayern bereits seit 2015 klar geregelt. Die „Bayerische Liste“, die damals mit dem Sozialministerium und den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt wurde, sorgt für Rechtssicherheit. Die Kostenträger kommen für alle Behandlungen auf, die notwendig sind, um den Zustand der Schmerzfreiheit zu erreichen. Das kennen Sie aus dem zahnärztlichen Notdienst. Weitgehend ausgeschlossen sind dagegen Zahnersatz, PAR-Behandlungen und die Kieferorthopädie. Damit sollten Debatten über Asylbewerber, die angeblich nur nach Deutschland kommen, „um sich die Zähne neu machen zu lassen“, ein Ende haben. Wobei es weiterhin eine große Ausnahme gibt: Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine unterliegen nicht dem Asylbewerberleistungsgesetz!

Dennoch zeigt die „Bayerische Liste“, dass die Politik und die zahnärztliche Selbstverwaltung in der Lage sind, pragmatische Lösungen zu erreichen. „So viel wie nötig“ – das war der Anspruch bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses.

Wir Zahnärzte sind jeden Tag mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot konfrontiert – nicht nur bei Asylbewerbern. Gerade angesichts der Wiedereinführung der strikten Budgetierung müssen wir uns bei jeder Behandlung die Frage stellen, ob die Anforderungen des Sozialgesetzbuches V erfüllt sind. Zugegebenermaßen eignet sich die Zahnmedizin in besonderer Weise für die Aufteilung in Regel-, gleich- und andersartige Versorgung. Teilprothese, Brücke, Implantat – das macht nicht nur qualitativ einen Unterschied. Bei einer Appendizitis hat man vermutlich weniger Therapieoptionen als bei einem fehlenden Molar.

Das Spannungsfeld zwischen Ethik und Monetik wird uns in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiterhin beschäftigen. Mit einer dauerhaften Verbesserung der Finanzlage der GKV ist angesichts der demografischen Entwicklung nicht zu rechnen. Gleichzeitig treibt die Digitalisierung den medizinisch-technischen Fortschritt voran. „Alles für alle“ kann und wird es nicht mehr geben. Ich bin unseren Vorgängern noch heute dafür dankbar, dass sie mit der Einführung der befundbezogenen Festzuschüsse bereits vor 20 Jahren die Vollkaskomentalität der Versicherten durchbrochen haben. Die Zahnärzte gelten seitdem als die „Pioniere der Privatliquidation“. Diesen Weg müssen wir weitergehen. Rückblickend wären Festzuschüsse auch in der PAR-Therapie zielführender gewesen als das reine Sachleistungsprinzip. Dass uns die Politik mit der PAR-Richtlinie einen ungedeckten Scheck ausgestellt hat, können Sie Ihrer HVM-Mitteilung und dem KZVB-Budgetradar entnehmen. So etwas darf sich nicht wiederholen. Deshalb ist meine Haltung klar: Keine neuen Leistungen mehr in den Bema! Mehr GOZ, mehr Eigenverantwortung, mehr private Zahnzusatzversicherungen – nur dadurch behalten wir einerseits in der Zahnmedizin den Anschluss an die Weltspitze und sichern andererseits das wirtschaftliche Überleben unserer Praxen.

Mit freundlichen, kollegialen Grüßen

Ihre

Dr. Marion Teichmann
Stv. Vorsitzende des Vorstands der KZVB